Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
eingeredet, dass er aus Rücksicht nicht geklopft oder gerufen hatte, aber er wirkte momentan nicht gerade fürsorglich und liebenswürdig. Ganz im Gegenteil.
»Haben Sie mir etwas zu sagen? Warum sind Sie hier?«
Er trat über die Türschwelle. Instinktiv wich sie zurück. Sie sah sein Gesicht im Schein des Kaminfeuers, als er ihr Zimmer betrat. Er beantwortete ihre Frage mit einem direkten Blick, der keine Worte benötigte.
Du weißt, warum ich hier bin.
Sein Blick wanderte zu den Kleidern auf dem Bett. Er trat vor und hob eines an. Der weiche Stoff ergoss sich wie ein Wasserfall über das Laken. Das Kleid war in Form und Farbe ein krasser Kontrast zu seiner maskulinen Hand. »Ich dachte, dass es nur zwei dieser Kleider gibt und dass Sie sie an Ihre Freundinnen weitergeben wollten.«
»Es gab noch mehr. Ich habe sie für mich selbst aufgehoben.«
Sein Blick wanderte über ihre Brüste und Hüften ihren Körper hinab, wie der Wasserfall aus Seide, den er hielt. Unwillkürlich berührte sie den Batiststoff des Morgenmantels, den sie trug.
»Ich würde Sie gerne mal in einem davon sehen. Aber nicht heute Nacht.«
Sie sollte ihn fortschicken. Und doch beanspruchte er den Raum so sehr für sich, dass sie die Worte kaum aussprechen konnte. Verity hatte ihn attraktiv genannt. Wenn sie nur wüsste, wie unzulänglich dieses Wort war. Wie in diesem Moment. Er kam ihr gefährlich vor, aber auf eine unwahrscheinlich anziehende Art und Weise. Als Reaktion auf seine männliche Stärke begann ihr verräterisches Herz zu pochen.
Er trat an den Sekretär. Der Brief, der darauf lag, zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Sein Kopf neigte sich, während er ihn las. Dann drehte er sich mit dem Blatt Papier in der Hand zu ihr um.
»Das werden Sie nicht tun. Nicht jetzt. Noch nicht.«
Gütiger Himmel, er war gekommen, um es ihr auszureden. Um sie zu retten.
Sie fand ihre Fassung wieder, ungeachtet der Art, wie er das Zimmer dominierte. Ihr Zimmer. Sie wollte sich ihm gegenüber nicht rechtfertigen müssen, denn schließlich ging es um ihr Leben.
»Wie ich schon heute Nachmittag erklärt habe, werde ich das tun, wozu ich mich entschließe. Sie sind die letzte Person, von der ich erwartet hätte, dass sie mich dafür verurteilen würde. Sie haben sogar selbst ein paarmal behauptet, dass Sie es nicht tun würden.«
»Ich verurteile Sie nicht, Celia, ich sage nur, dass Sie nicht jetzt auf das Angebot dieses Dummkopfs eingehen werden.« Er wedelte mit dem Brief.
»Ich werde nicht gestatten, dass Sie …«
»Nein.« Er warf den Brief ins Kaminfeuer. Sofort fraßen die Flammen die Ränder und begannen, den Rest zu verzehren.
Wütend marschierte sie auf ihn zu. »Eine schöne Geste, aber leider bedeutungslos. Ihre anmaßende Art ist vermessen und Ihre Kritik beleidigend. Ich bin keine Idiotin, die auf eine einfache Methode gestoßen ist, um sich neue Kleider leisten zu können, Jonathan. Ich denke darüber seit mehr als fünf Jahren nach.«
Er blickte angespannt und ernst zu ihr hinab. Seine Augen wirkten warm, unergründlich und voller Intensität, die ihr den Atem stocken ließ. Abrupt zog er sie an sich und hielt ihr Gesicht, so, wie er es im Garten getan hatte. »Ich widerspreche Ihrer Entscheidung nicht, Celia. Ich sage nur, dass es nicht dieser Mann sein wird.«
Er küsste sie, bevor sie antworten oder ihn zurechtweisen konnte. Sie kämpfte hart dagegen an, dass dieser Kuss eine Wirkung auf sie hatte. Ihre Gedanken rasten umher, während zahllose Empfindungen ihren Körper durchströmten. Ein geheimes Bedauern brach aus ihrem Herzen und drohte, ihre Vernunft und den rationalen Entschluss hinwegzuschwemmen.
Wir dürfen nicht! Es wird alles ruinieren. Mich ruinieren, weitaus schlimmer, als Anthony das jemals tun könnte.
Hatte sie es ausgesprochen, in den kurzen Momenten, in denen seine Lippen nicht auf ihrem Mund, sondern an ihrem Hals brannten? Sie konnte es nicht sagen. Es wirkte nicht so, als wenn er es gehört hätte. Oder es war ihm egal.
Lass sie immer um Erlaubnis fragen, Celia. Selbst beim ersten Kuss.
Dieser Mann würde nicht um Erlaubnis bitten. Das hatte er noch nie.
Seine Umarmung fühlte sich zu gut an. Zu willkommen. Seine Stärke erwies sich einfach als zu aufregend. Sie hatte sich dagegen entschieden, sich dem Verlangen hinzugeben, das sie füreinander empfanden, aber sie konnte ihm doch nicht widerstehen. Sein Feuer begann ihren Willen zu verzehren, genau wie die Flammen das Stück Papier vernichtet
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