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Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)

Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)

Titel: Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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Abgrund. Jetzt musste er ganz vorsichtig sein. Ein falscher Schritt und er stürzte in die Tiefe. Vorsichtig prüfte er den Grund, bevor er einen Schritt machte. Noch immer führte ihn die Spur auf den Abhang zu, aber wann der scharfe Rand kam, das konnte er nicht erkennen.
    Simon tastete sich vorwärts, ganz vorsichtig.
Doch plötzlich hörte er ein leises Knurren. Erschrocken drehte er sich zu der Seite, von der das Geräusch kam. Doch er konnte nichts erkennen. Er hielt es schon fast für eine Täuschung des Windes, doch dann war es wieder da. Direkt hinter ihm. Und es war kein leises Knurren mehr, sondern ein Fauchen. Simon erstarrte. Der Luchs.
    Langsam drehte er sich um. Nur keine schnelle Bewegung, die das Tier als Bedrohung werten konnte. Und da war er. Wie angewurzelt stand der Luchs im Schnee. Seine gelben Augen leuchteten unheimlich in der Dunkelheit. Sein kräftiger, kurzer Schwanz zerteilte mit einem regelmäßigen Schlagen die Luft, seine Flanke zuckte kurz, doch sonst rührte er sich nicht.
    Simon hielt den Atem an. Er war von Natur aus kein negativ denkender Mensch, aber egal, wie er seine Lage jetzt drehte und wendete, es sah nicht gut aus. Fieberhaft überlegte er, wie er aus dieser Situation wieder herauskommen könnte, doch viel fiel ihm nicht ein. Vor ihm stand der Luchs, hinter ihm war der Abgrund. Er war unbewaffnet, nicht einmal ein Küchenmesser steckte in seiner Tasche. Es sah definitiv schlecht für ihn aus.
Wieder fauchte der Luchs, so dass seine weißen Zähne blitzten. Sein Atem wehte weiß in die klare, kalte Sternennacht.
    Simon griff langsam in seine Anzugtasche in der Hoffnung, dass sich dort vielleicht ein Taschenmesser oder wenigstens ein Feuerzeug befand, doch er konnte lediglich den weichen Schal fühlen, der als Zeichen für die Gäste gedacht war. Langsam holte er ihn heraus und wickelte ihn um beide Hände, als wolle er das Raubtier damit erdrosseln.
Der Luchs schien ungeduldig zu werden. Er machte einen geschmeidigen Schritt auf Simon zu, dann duckte er sich in den Schnee, als warte er auf die beste Möglichkeit zum Angriff.
    Simons Herz raste. Er ging ganz langsam einen vorsichtigen Schritt zurück, auf den Abgrund zu. Der Luchs spitzte seine Pinselohren und schlich noch einen Schritt in geduckter Haltung nach vorn. Er folgte Simon. Oder, um es wahrheitsgemäß auszudrücken, er trieb ihn vor sich her.
Simon ließ den Luchs nicht aus den Augen, während er einen weiteren Schritt zurückwich. Dieses Mal folgte ihm das Tier nicht, sondern blieb liegen. Aber es ließ Simon nicht aus den Augen.
Aus dem Augenwinkel sah Simon rechts das Licht des Hotels »Zum schönen Ausblick« durch die Bäume schimmern. Es war ein Stückchen näher zu seinem jetzigen Standort als sein eigenes Hotel. Wenn er sich dahin retten konnte, war er vielleicht sicher. Der Lärm der Menschen würde den Luchs hoffentlich vertreiben.
    Vorsichtig machte Simon einen Schritt nach rechts, doch dieses Mal fand sein Fuß keinen Halt. Simon rutschte ab.
Er schrie auf. Er fiel nach vorn in den Schnee und merkte, dass seine Füße auf einmal keinen festen Boden mehr unter sich hatten. Sein Oberkörper lag noch auf dem Schnee, doch der Rest baumelte über dem Abgrund. Verzweifelt versuchte er, sich im Schnee festzukrallen, doch das Gewicht seinen Körpers zog ihn unerbittlich nach unten. Mit dem Schal noch um seine Hände gewickelt langte er nach allem, was greifbar war, während sein Körper Zentimeter für Zentimeter weiter nach unten rutschte.
    Der Luchs war inzwischen aufgestanden und beobachtete aufmerksam, wie Simon immer näher auf den Abgrund zusteuerte. Als würde er nur darauf warten, sein Essen gleich ohne große Gegenwehr geliefert zu bekommen. Seine Ohren spielten bei jedem Geräusch, das der nachgebende Schnee machte. Lautlos kam er wieder einen Schritt näher.
    Simon kämpfte um sein Leben. Immer tiefer rutschte er. Seine Hände versuchten, sich am Schnee festzuhalten, aber die kalte, weiße Masse gab nach. Und darunter war nur Gras, das sich genauso wenig zum Festhalten eignete. Schließlich rutschte er ganz ab. Der Schal in seinen Händen schliff über den Schnee, seine Hände versuchten, nach etwas zu greifen, doch sie erwischten nichts. Er fiel nach unten.
    Aber gerade, als sein Kopf über die Kante rutschte und unter ihm der dunkle Abgrund gähnte, blieb der Schal an einer Wurzel hängen. Simon klammerte sich an das Stück Stoff, um seinen Sturz aufzuhalten, während seine Beine nach etwas

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