Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)
nur, so dass sie nicht klar denken konnte.
»Evolution.« »Synergie.« »Jet-Ski.« »Adventsstern.«
Jemand nieste. »Gesundheit!« »Danke!«
»Gesundheit?«, schrie sie fast. Das ergab überhaupt keinen Sinn! Doch die anderen ließen sich nicht aus der Ruhe bringen und brüllten ihr erneut Lösungen entgegen. Entnervt ließ sie schließlich das Rätsel sinken und gab auf.
Waagerecht:
1. hohe Auszeichnung für Wissenschaftler
2. Verbindung verschiedener Elemente
3. Männername
4. unfeiner Kerl
5. Weihnachtsdekoration
6. Stadt im Nahen Osten
Senkrecht
1. Hormon
2. Bild durch Laserlicht
3. italienisches Gericht
4. Wasserfahrzeug
5. Comic-Held
6. jemand, der immer lamentiert
7. Werkzeug
Gute Wünsche
Cleo Schäfer hatte in ihrem Leben schon Einiges erlebt. Als sie geboren wurde, musste sie schon nach drei Minuten ihres jungen Lebens ganz allein klarkommen, weil ihre Mutter damit beschäftigt war, den ältesten Sohn davon abzuhalten, dem zwei Jahre jüngeren einen echten Säbel in den Rachen zu schieben. Damals war gerade ein Säbelschlucker auf dem Jahrmarkt gewesen, der die Jungs sehr beeindruckt hatte. Danach brauchte sie zwei Stunden, um dem jüngsten und zweitjüngsten Sohn das Benzin von der Haut und aus den Sachen zu schrubben, womit sie sich übergossen hatten, um eine lebende Fackel zu sein, wie es der Feuerschlucker auf dem Jahrmarkt vorgemacht hatte. Dieser hatte seinen Trick nicht überlebt, doch das wussten die Jungs nicht und wollten es ihrer Mutter auch nicht glauben. So dass sie große Mühe hatte, sie von dem Benzin fernzuhalten und ihnen auch noch den Trick mit dem Petroleum auszureden.
Aus diesem Grund war die kleine Cleopatra die ersten Stunden ihres Lebens ganz allein, schrie leise vor sich hin, hatte Hunger und, da sich draußen langsam der Herbst über das Land legte, fror sie auch erbärmlich. Als die Mutter sich endlich um sie kümmern konnte, war sie so glücklich, endlich in deren warmen Armen zu liegen, dass sie völlig erschöpft einschlief. Die nächsten Mahlzeiten liefen ähnlich ab. Wann immer der Säugling Hunger hatte, musste seine Mutter nebenbei aufpassen, dass ihre vier Söhne kein größeres Unheil anrichteten, was zu ständigen Unterbrechungen beim Stillen führte.
Doch wer jetzt glaubt, dass dieses Problem sich mit zunehmendem Alter legen würde, täuscht sich sehr. Mit vier ewig hungrigen Jungen am Tisch zu sitzen, verbesserte Cleos Versorgungslage keinesfalls. War sie zu spät am Tisch, bekam sie nichts mehr ab. Kleckerte sie, landete es mit Sicherheit in einem anderen Mund. Und sah sie einen Moment lang in die falsche Richtung, war ihr Teller leer. Bald war sie so abgemagert, dass sie hinter einem jungen Apfelbaum verschwinden konnte, ohne dass man sie sah. Doch sie wurde älter und schlauer. Und bald hatte sie erkannt, dass es überhaupt nichts brachte, schnell zu essen oder nicht zu kleckern, sondern dass der ganze Trick darin bestand, nicht auf die Mahlzeiten zu warten, sondern sich mit den Produzenten der Mahlzeiten gut zu stellen und sich schon vorher zu versorgen. Und dabei aufzupassen, dass keiner hinter ihr kleines Geheimnis kam. Sie lernte, sich an anderen vorbeizuschmuggeln, ohne dass sie sie wahrnahmen, den richtigen Moment abzuwarten, Signale zu deuten und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Sie wurde eine Meisterin darin, unsichtbar zu sein, aber alles mitzubekommen.
Später, als endlich die Hälfte ihrer Brüder aus dem Hause war, wandte sie dieses Können auch bei allen anderen Gelegenheiten an. Sie schmuggelte Klassenarbeiten am Lehrer vorbei, schwänzte Handarbeitsunterricht, ohne dass es jemals jemand bemerkte und bekam einen Abschluss als Lebensmittelchemikerin, ohne an den Prüfungen teilgenommen zu haben. Dabei halfen ihr sicherlich ihre knabenhafte Gestalt und ihr jungenhaftes Aussehen, so dass keiner so genau sagen konnte, ob sie wirklich ein Mädchen war. Sie trug die Haare kurz, die Jeanshosen ihrer Brüder und stets flache Schuhe.
Als sie bei ihrer Mutter auszog, konnte sie zwar endlich so viel essen, wie sie wollte, aber das veränderte nur ihre Figur, nicht jedoch ihre gesamte Erscheinung. Sie legte Wert darauf, nicht eindeutig eingeordnet werden zu können. Keiner konnte mit Sicherheit sagen, wer oder was sie war. Sie war alles und nichts, jeder und niemand. Und das machte sie sich zu nutze. Wie an diesem Silvesterabend im Hotel »Zum Luchs«. Alle Gäste waren mit der Leiche oder dem Kreuzworträtsel beschäftigt, keiner
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