Eine letzte Breitseite
Vorwurf, als ein Mißtrauensvotum des Admirals. Ich hielt das damals für unfair und tue es heute noch.«
Herricks Stimme war heiser. »Ich verstehe. Der Gedanke an mein Versagen und was es bedeutet, ist mir alles andere als angenehm. Aber ich will auch nicht gegen etwas protestieren, das meine Schuld ist.« Hilflos zuckte er die Achseln. »Meine Einstellung zur Marine und zu Ihnen ist derart, daß ich mich lieber umbringen würde, als Menschenleben und die Interessen meines Landes zu gefährden, um meine Fehler zuzudecken.«
Bolitho sah ihn mitleidig an. »Ich habe nicht die Absicht, Sie Ihres Dienstes zu entheben.«
Herrick fuhr auf. »Warum haben Sie mich dann…«
Bolitho stand rasch auf. »Was hätte ich denn machen sollen? Gilchrist das Kommando übergeben und Sie nach Hause schicken? Oder Sie vielleicht gegen Javal austauschen, obwohl wir bloß eine Fregatte für die ganze Mission haben?« Er blickte zur Seite. »Ich gebe Ihnen die
Osiris.
Sie ist ein gutes Schiff mit hohem Ausbildungsstand.« Herrick atmete heftig ein, aber Bolitho achtete nicht darauf und fuhr fort: »Sie brauchen sich dann nicht mehr mit Geschwaderangelegenheiten herumzuärgern, sondern können Sich auf Ihr Schiff konzentrieren. Was Sie daraus machen, ist Ihre Sache. Aber Ihnen traue ich zu, mehr als jedem anderen, daß Sie voll und ganz Ihre Pflicht tun.«
Langsam drehte er sich wieder um und sah zu seiner Bestürzung, daß Herrick, genau wie vorher, unnatürlich ruhig war. »Farquhar wird hier vorläufig Ihren Dienst übernehmen, bis…«
Herrick nickte. »Wie Sie befehlen, Sir.«
»Befehlen?« Bolitho trat einen Schritt zu ihm hin. »Glauben Sie, ich mute Ihnen zu, daß Sie Tag für Tag den Offizieren und Mannschaften ins Gesicht sehen müssen, die Sie ausgebildet und befehligt haben, seit Sie auf der
Lysande
r
sind? Und daß Sie dabei in jeder Sekunde Angst haben, Sie könnten ihnen auf irgendeine We ise nicht gerecht werden?« Er schüttelte den Kopf. »Das mache ich nicht. Ebensowenig will ich die Kampfkraft des Geschwaders aufs Spiel setzen, weil Ihre Freundschaft mir kostbar ist.«
Herrick blickte sich in der Kajüte um. »Gut. Ich packe dann meine Sachen und gehe von Bord.«
»Kein Schatten wird auf Sie fallen, Thomas. Dafür sorge ich. Aber lieber sähe ich Sie als Kommandanten einer uralten Brigg, als daß Ihnen an Land das Herz bricht, weil Sie dem einzigen Leben entrissen sind, das Sie lieben und für das Sie so viel geopfert haben.«
Anscheinend war Herrick im Moment etwas verwirrt. »Farquhar!« sagte er. »Den habe ich nie leiden können. Schon als Midshipman nicht.« Er wandte sich zur Tür. »Daß es so enden würde, hätte ich nie gedacht.«
Bolitho kam quer durch die Kajüte auf ihn zu und reichte ihm die Hand. »Nicht
enden,
Thomas!«
Aber Herricks Hände blieben unten. »Wir werden ja sehen, Sir.«
Er ging hinaus, ohne sich umzusehen.
Dann kam Allday. Nach kurzem Zögern nahm er den Degen von seinem Gestell und prüfte ihn.
Bolitho setzte sich wieder auf die Fensterbank und sah ihm trübselig dabei zu.
»Käpt’n Herrick geht also von Bord, Sir?« Aber Alldays Augen ruhten auf dem Degen.
»Fangen Sie nicht auch noch mit mir an, Allday!« Aber es klang keineswegs gereizt. »Ich habe die Nase voll für diesen Tag. Für tausend Tage.«
Alldays Augen waren sehr klar in dem reflektierten Licht. »Sie haben das Richtige getan, Sir.« Er lächelte melancholisch. »Ich bin bloß ein einfacher Seemann, und wenn Sie nicht wären, arbeitete ich im Mast und könnte für jede lausige Kleinigkeit ausgepeitscht werden. Aber ich habe meine festen Ansichten über die, denen ich diene und –«, er schien das richtige Wort nicht zu finden –, »für die ich was übrig habe.« Sorgfältig zog er den alten Degen aus der Scheide und hielt die Klinge in die Sonne, als prüfe er die Schneide. »Käpt’n Herrick ist ein guter Mann. Auf einem anderen Schiff wird er sich schon wieder fangen.« Mit scharfem Klicken stieß er die Klinge wieder hinein. »Und wenn nicht – dann ist das Flaggschiff erst recht nicht der Ort für ihn.«
Bolitho starrte Allday an. Es war schon oft so gewesen; aber noch nie hatte er Alldays moralische Unterstützung so nötig gebraucht wie jetzt. Auf seinem Schiff, ja in seinem ganzen kleinen Geschwader gab es keinen Menschen, mit dem er seine Ängste, seine Zweifel wirklich teilen konnte. Als er aus der Offiziersmesse in die Kapitänskajüte übergewechselt war, und erst recht später, als er
Weitere Kostenlose Bücher