Eine Liebe auf Korfu
sam. „Yati? Poo? Pote?“
Die Frau zuckte die Achseln, offenbar außerstande, die Fragen Warum, wohin und wann zu beantworten. Und es interessierte sie vermutlich auch gar nicht. Er nahm eine Münze aus der Tasche seines Gehrocks und gab sie ihr.
„Efharisto.“ Danke für nichts, dachte er wütend und hum pelte zum Einspänner.
Als Benedict in die Residenz zurückkehrte, saß Lady Trevick auf der Veranda im Schatten, ihre Töchter neben sich, die pflichtbewusst an ihren Stickereien arbeiteten. „Ma dam, mittlerweile geht es mir erstaunlich gut. Wenn Ihr freundliches Angebot immer noch gilt, würde ich Sie sehr gern nach Paleokastritsa begleiten.“ Und ich will mit all den jungen Damen flirten und dieses lächerliche Gefühl überwinden, ich hätte einen Teil meiner Seele verloren …
Sofort stand er im Mittelpunkt allgemeiner Aufmerksamkeit. Lady Trevick beteuerte, sie sei entzückt, und ihre Töchter klatschten jubelnd in die Hände.
Drei Tage später lehnte sich Alessa an den wackeligen Zaun, der ihr Grundstück vom Anwesen der Nachbarin trennte. „Hérete, Agatha.“
„Hérete“, antwortete die alte Frau lächelnd und entblößte mehrere Zahnlücken.
In all den Jahren hatte sie Alessa eine Großmutter ersetzt. Rechthaberisch und eigenwillig, lehnte sie alle Eindringlinge ab, die ihre Insel bewohnten, und weigerte sich, Fremdsprachen zu erlernen. Wenn man sie auf Italienisch, Französisch oder Englisch ansprach, starrte sie ausdruckslos vor sich hin. Alessa vermutete, dass Agatha viel mehr verstand, als sie zugab. Doch sie wagte keine Probe aufs Exempel zu machen.
„Jetzt siehst du schon viel besser aus als bei deiner Ankunft, Kindchen“, sagte Agatha, legte ihre Spitzhacke beiseite und kam zu ihr.
„Ja, ich fühle mich auch besser.“ Energisch hatte Alessa ihr Häuschen in Ordnung gebracht und sich eingebildet, mit dem Schmutz und den Spinnweben würde sie auch Benedict hinausfegen. Und es gelang ihr beinahe, ihn zu vergessen. Nur nachts, wenn die Kinder schliefen und der Mond durchs offene Fenster in ihr Zimmer schien, dachte sie an ihn.
Wenn sie sich rastlos in ihrem Bett umherwarf, überlegte sie, dass um diese Zeit die Bewohner und Bewohnerinnen der Residenz noch lange nicht schliefen, sondern tanzten und flirteten oder vielleicht Karten spielten. Oder eine der jungen Damen würde ihr musikalisches Talent am Spinett oder an der Harfe beweisen. Nur kurzfristig hatte Benedict ihr ein solches Leben schmackhaft gemacht. Fast wäre sie schwach geworden und hätte geglaubt, sie müsste ihren Stolz besiegen und die harte Arbeit mit luxuriösem Müßiggang vertauschen. Zum Glück hatte sie seine Unaufrichtigkeit rechtzeitig erkannt, bevor sie der Versuchung erlegen wäre.
Warum hatte sie ihn so falsch eingeschätzt? Sie hielt sich für eine gute Menschenkennerin, und ihr Irrtum hatte sie zutiefst deprimiert. Natürlich gefiel es niemandem, wenn er zum Narren gehalten wurde. Das verstand Kate, die sie nach Liapades begleitet hatte, sehr gut und unterließ es, die Freundin zu hänseln.
Agatha musterte Alessa forschend, die kleinen schwarzen Augen im grellen Sonnenlicht zusammengekniffen. „Erzähl mir von ihm.“
„Von wem?“
„Ich meine diesen Mann, von dem deine Freundin dauernd redet. Der so gut gebaut ist.“
„Agatha!“
Ohne die geringste Zerknirschung zu bekunden, zuckte die alte Frau die Achseln. „Was nützt ein Mann einer jungen Frau, wenn er nicht die richtige Ausstattung besitzt …“
„Agatha!“ Diesmal nahm Alessas Stimme einen schrillen Klang an. „Seine Lordschaft ist ein attraktiver Mann mit einem gesunden Körper. Ich habe mich nur um seine Ver letzungen gekümmert. Das ist alles.“
„Pah! Du brauchst einen Ehemann, der dir was bieten kann.“ Was Agatha damit meinte, veranschaulichte sie mit ausdrucksvollen Gesten, die das Blut in Alessas Wangen trieben. „Klar, du kannst eine prüde dumme Kuh spielen. Aber wird dir das helfen, ihn für dich zu gewinnen?“
„Das will ich gar nicht“, protestierte Alessa.
„Obwohl du seinetwegen errötest, möchtest du ihn nicht erobern?“ Die alte Frau schüttelte den Kopf. „Sei nicht albern. Setz dich an den Strand. Vielleicht wird der Geist von Nausikaa zu dir kommen und dich zur Vernunft bringen.“ Seufzend wandte sie sich ab und begann wieder Unkraut zu jäten.
Alessa lächelte wehmütig und betrachtete den schwarz verhüllten, gebeugten Rücken. Wie so viele Inselbewohner begegnete Agatha den mythologischen
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