Eine Liebe auf Korfu
meines derzeitigen Zustands hat sich Sir Thomas meiner erbarmt.“ Benedict stieg in den Wagen und wartete, bis sein Retter neben ihm saß. Dann reichte er ihm die Hand. „Benedict Chancellor, Lord Blakeney.“
„Voltar Zagrede, Graf Kurateni.“ Der Mann zeigte auf die albanischen Berge, die so nahe erschienen, als wäre das Meer nur ein See. „Da drüben liegt meine Heimat. Da ich dem Lord High Commissioner meine Aufwartung machen möchte, wird mein Schiff ein paar Tage im Hafen ankern.“ Grinsend fügte er hinzu: „Wie argwöhnisch die englische Navy ist! Anscheinend halten die Engländer alle meine Landsleute für Piraten.“
In die Polsterung zurückgelehnt, musterte Benedict seinen Gefährten. Der Graf war groß und schlank, dunkelhaarig und exquisit gekleidet, in einer Kombination aus westlicher Mode und östlichen Stoffen, die in der Londoner Gesellschaft zweifellos Aufsehen erregen würde. So einen breiten seidenen Kummerbund würde er selbst nicht tragen. Umso besser gefielen ihm die weichen Lederstiefel mit den silbernen Beschlägen. Aus dem rechten Schaft ragte der Griff eines Messers.
Dieser Stil würde Lord Byron vor Neid erblassen lassen, dachte Benedict, während Zagrede seine glänzenden schwarzen Locken aus der Stirn strich und seinen Hut auf setzte. Und die Damen in der Residenz werden ihn anhimmeln. Meinetwegen – solange er seinen Charme nicht an Alessa ausprobiert …
7. KAPITEL
Alessa wartete, bis die beiden Männer die Kirche durch das Nordtor verlassen hatten. Dann erhob sie sich von der abgeschiedenen Bank im Schatten und ging durch das Südportal hinaus. Als Tochter eines anglikanischen Vaters und einer römisch-katholischen Mutter war sie während ihrer Kindheit von der alten Agatha, einer Nachbarin, in den griechisch-orthodoxen Glauben eingeführt worden. Nun wusste sie nicht, an welcher Religion sie sich orientieren sollte oder ob die Unterschiede überhaupt eine Rolle spielten.
Jedenfalls besuchte sie das Gotteshaus mehrmals pro Woche und sprach in Gedanken mit dem heiligen Spyridon. Nicht, dass sie eine Antwort erhoffte. Aber sie fand es tröstlich, auf diese Weise ihre wahren Gefühle zu erkennen.
Nach Benedicts ungalantem Benehmen war sie impulsiv davongeeilt. Und diese Reaktion erschien ihr immer noch richtig. Irgendwohin hatte sie fliehen müssen, und die Kirche war ein geeigneter Zufluchtsort gewesen.
Vor etwa drei Monaten waren sie alle nach Liapades auf der anderen Seite der Insel gesegelt. Dort besaß sie immer noch eine Hütte und ein kleines Stück Land, das Agatha zusammen mit ihrem eigenen bewirtschaftete. Alessa musste wieder einmal feststellen, ob die alte Frau etwas brauchte und wie es ihr gesundheitlich ging. Außerdem machten die Kinder in der Schule erfreuliche Fortschritte, und sie verdienten ein paar Ferientage.
Lauter Ausreden, gestand sie sich ein, aber sehr gute. Zweifellos war es vernünftig, einem Mann auszuweichen, der anscheinend nicht ihr Wohlergehen anstrebte, sondern etwas ganz anderes.
Wie sollte sie sich sein Verhalten denn sonst erklären? Wenn er ihr wirklich helfen wollte, ihre englischen Ver wandten aufzuspüren, und eine Dame in ihr sah – warum musste er sie dann vor Lady Trevick verstecken? Plante er, die Wäscherin Ihrer Ladyschaft zu verführen? Oder um warb er eine der Trevick-Töchter und durfte sich nicht mit einer anderen Frau blicken lassen?
Wie auch immer, seine Handlungsweise kränkte Alessa, und sie ärgerte sich maßlos, weil sie so dumm gewesen war, diesem heuchlerischen Earl zu vertrauen.
Den Korb an ihrem Arm, bog sie in einen Hof. Wie erwartet, saß Dr. Theo Stephanopolis im Schatten seiner Weinlaube und beaufsichtigte vier kleine Jungen, die auf Schiefertafeln Rechenaufgaben lösten. Angestrengt runzelte Demetri die Stirn.
„Willkommen, Kyria Alessa.“ Der alte Lehrer erhob sich. Auch die Kinder standen grinsend auf, sichtlich erfreut über die Unterbrechung. „Alles in Ordnung?“
„Ja, Doktor, aber ich möchte Demetri abholen. Wir müssen ein paar Wochen auf dem Land verbringen.“
Hinter dem Rücken des Lehrers schob der Junge bereits die Schiefertafel und die Kreide in seinen Ranzen und schnitt Grimassen, um seine weniger glücklichen Schulkameraden zu verspotten. Seine gute Laune heiterte Alessa ein bisschen auf, konnte die bittere Enttäuschung jedoch nicht verdrängen. Als hätte ich einen Verlust erlitten, dachte sie, während sie einen kurzen Brief schrieb, den Demetri in die Residenz bringen
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