Eine Liebe auf Korfu
anerkennend. „Sehr hübsch, Ms. Meredith, wenn ich mir die kühne Bemerkung erlauben darf. Welch eine Verwandlung … Die Damen befinden sich im vorderen Empfangsraum.“
Gott sei Dank, nur die Damen … Der Gedanke, Benedict vor Tante Honorias kritischen Augen wiederzusehen, wäre zu schrecklich gewesen. Aber früher oder später musste sie auch ihm gegenübertreten.
Aus der halb geöffneten Tür drang Musik. Unbemerkt trat Alessa ein und beobachtete die Szene. Lady Trevick las ein Journal, Lady Blackstone saß an einem Schreibtisch vor dem Erkerfenster und schien ihre Korrespondenz zu erledigen. Auf einer Seite des Zimmers spielte Maria Trevick eine heitere Melodie auf dem Klavier, auf der anderen arbeiteten ihre Schwester Helena und Frances Blackstone an einem Gebilde aus Pappe.
Dann blickten die Mädchen auf und entdeckten den Neuankömmling. „Oh, Cousine Alexandra – da bist du ja!“ Frances sprang auf, strahlte über das ganze Gesicht, und Maria ließ die Hände von den Klaviertasten gleiten.
„Ah, willkommen, meine Liebe.“ Wohlgefällig musterte Lady Trevick ihren neuen Hausgast. „Wie hübsch Sie aussehen! Entspricht das Schlafzimmer Ihrem Geschmack?“
„Ja, Ma’am, es ist wundervoll. Und ich muss Ms. Trevick und Ms. Blackstone für die Kleider danken, die sie mir geliehen haben, auch für die Hilfe der Zofe.“ Alessa wandte sich zu Lady Blackstone, die ihren Federkiel beiseitegelegt hatte und sie musterte. „Guten Morgen, Tante Honoria.“
„Guten Morgen, Alexandra. In der Tat, du siehst gut aus. Hat Peters dir erzählt, dass wir heute Nachmittag die Schneiderin erwarten?“
„Gewiss, Tante Honoria, vielen Dank“, antwortete Alessa. Was wurde jetzt von ihr erwartet?
„Spielen Sie Klavier?“ Maria trat an ihre Seite.
„Nein, leider nicht. Sie spielen sehr gut, Ms. Maria.“
„Danke. Es ist furchtbar langweilig, Klavier zu üben. Seien Sie froh, dass Sie dieser Tortur entgangen sind. Allerdings …“ Maria senkte ihre Stimme und führte Alessa zu den beiden anderen jungen Damen. „Wenn einem die Gentlemen die Noten umblättern, kann man gut mit ihnen flirten.“
„Komm her und hilf uns, Alexandra!“ Einladend klopfte Frances neben sich auf das Sofa. „Wir versuchen gerade ein Retikül nach einem Muster in Ackermann’s Repository herzustellen. Angeblich ist das ganz einfach. Zweimal ha ben wir versucht, das Ding aus der Pappe auszuschneiden. Und es sieht immer noch unförmig aus.“
„Vielleicht, wenn wir die Vorlage aus dünnerem Papier ausschneiden und auf die Pappe legen …“ Während Alessa sprach, begann sie zu arbeiten. Es war so ähnlich, als würde sie den Kindern Märchenschlösser aus Papier falten. „Ist es so besser?“
„Großartig!“, lobte Frances. „Und mit welchem Stoff wollen wir es beziehen?“
Nach einer Stunde näherte sich das Retikül der Vollendung, und Alessa konnte noch immer nicht fassen, dass sie alle vier so viel Zeit für diese frivole Tätigkeit vergeudet hatten. Unbehaglich schaute sie zu ihrer Tante hinüber. Auf dem Schreibtisch stapelten sich mittlerweile mehrere Briefe. „Vielleicht sollte ich Lady Blackstone helfen“, flüsterte sie.
„Wenn sie irgendwas braucht, wird Mama uns sicher Bescheid geben“, erwiderte Frances. „Du bist als meine Cousine hier, nicht als bezahlte Gesellschafterin. Und du willst dich sicher ausruhen, nachdem du so hart arbeiten musstest, um deinen Lebensunterhalt zu verdienen und diese Kräutersalben herzustellen. Außerdem sorgst du für zwei Kinder. Aber ich nehme an, deine Gesellschafterin unterstützt dich bei der Betreuung dieser beiden.“
„Eh – ja, natürlich.“
„Was für Arzneien stellen Sie her?“ Helena legte die Nadel beiseite, die sie einzufädeln versucht hatte. „Liebestränke?“
Zufällig gehörten zu Alessas Repertoire auch Medizinen, die männliche Leidenschaft entflammten oder dämpften. Die Zutaten, die dafür erforderlich waren, hatte Agatha ihr gezeigt. Bisher war sie noch nie um solche Tränke gebeten worden. Aber Helena dachte sicher nicht an ein Gebräu, das einen Mann ‚so wild macht wie ein brünstiger Eber‘.
Wie naiv diese Mädchen wirkten, die sich mit ihren Modezeitschriften befassten und von Flirts mit attraktiven Gentlemen träumten … Irgendwie musste Alessa sich diesem seltsamen Lebensstil anpassen, wenn auch nur für kurze Zeit. „Wen möchten Sie mit einem Liebestrank umgarnen, Helena?“, fragte sie in verschwörerischem Ton.
Kichernd
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