Eine Liebe auf Korfu
das eine noch das andere zu, und es ging nur um den gockelhaften Kampf zweier Männer in der Anwesenheit junger Damen. Über diesen Gedanken musste sie lächeln.
„Irgendetwas scheint Sie zu amüsieren, Ms. Meredith“, meinte Benedict und trat an den Rand des Weges, sodass sie wählen konnte, welche Hand ihr helfen sollte, vom Hang herabzusteigen.
„Gerade erinnerte ich mich an Demetris Keilereien mit der Dorfjugend.“ Sie ergriff die Hand ihrer Cousine und sprang auf den Pfad hinab. Dann legte sie den Fenchel in den Korb, den Zagrede trug, und hängte sich bei Frances ein. „Warum, weiß ich nicht … Demetri ist einer meiner kleinen Schützlinge, der sich mitunter gern balgt“, erklärte sie dem Grafen.
Wie Benedicts finsterer Blick verriet, verstand er die Anspielung. Das hatte sie erwartet, aber nicht vermutet, dass auch Zagrede so scharfsinnig war.
„Ah, die Dame besitzt eine spitze Zunge!“ Grinsend wandte sich der Graf ab. „Kommen Sie, mein Freund, wandern wir allein weiter, lecken wir ungestört unsere Wunden.“
Alessa ließ die beiden vorausgehen und folgte ihnen etwas langsamer an der Seite der Cousine, die anscheinend nichts von der knisternden Atmosphäre bemerkt hatte.
„Wie hübsch er ist …“, seufzte Frances.
„Ja, der Graf sieht sehr romantisch aus“, sagte Alessa, ohne eine Miene zu verziehen. Natürlich wusste sie, dass ihre Cousine den Earl meinte.
Nur die Schwärmerei eines unreifen jungen Dings … Und was empfindet er für Frances? Aber warum interessiert mich das? Was habe ich denn zu erwarten – zu erhoffen? Dass er mich verführen wird? Könnte ich ihm widerstehen?
Entschlossen verdrängte sie diese beunruhigenden Gedanken und wandte sich zu ihrer Cousine. „Dein Papa ist gerade in Venedig, nicht wahr?“
„Ja, in diplomatischer Mission – ich glaube, es geht um irgendwelche Handelsangelegenheiten. Papa arbeitet für das Außenministerium.“
„Oh, dann muss er hervorragende diplomatische Fähigkeiten besitzen“, schmeichelte Alessa dem jungen Mädchen. „Ich bin beeindruckt. Aber ich wusste gar nicht, dass das Außenministerium mit Handelsgeschäften zu tun hat. Leider verstehe ich nicht viel von der Politik.“
„Soviel ich weiß, hängt es mit der Piraterie zusammen.“ Frances senkte ihre Stimme. „Eigentlich dürfte ich nicht darüber reden … Nun, jetzt gehörst du ja zur Familie. Also darf ich dir davon erzählen.“
„Piraterie? Natürlich, dafür sind diese Gewässer berüchtigt.“ Alessa runzelte nachdenklich die Stirn, während sie weiter bergauf stiegen. Tief unten funkelte das blaue Meer, zur Rechten wuchsen duftende Pinien an den Hängen. „Sicher wird die britische Navy ihre Übermacht nutzen, um diesen Schurken das Handwerk zu legen – jetzt, wo sie die Ionischen Inseln unter Kontrolle haben.“
„Wie klug du bist! Von solchen Dingen habe ich keine Ahnung – von Allianzen, den Ereignissen in Venedig und im Vatikan –, jetzt, wo Napoleon keine Gefahr mehr darstellt. Darüber macht sich Papa große Sorgen. Trotzdem werden wir wundervolle Tage in Venedig verbringen.“ Frances Miene erhellte sich. „Zum Glück müssen wir uns nicht mit diplomatischen Problemen beschäftigen.“
Über dieses faszinierende Thema hätte Alessa gern noch mehr erfahren. Doch sie wollte ihre Cousine nicht zu Indiskretionen verleiten. Außerdem gab es eine viel wichtigere Frage. „Wie lange wirst du in Venedig bleiben?“, erkundigte sie sich beiläufig und blieb stehen, um ein paar Thymianzweige zu pflücken.
„Bis Papa seine Mission erfüllt hat – in etwa zwei Monaten werden wir alle nach England zurückkehren. In Venedig wird uns die Zeit gewiss nicht lang. Mama wird viele Partys geben. Und ich glaube, wir können in wundervollen Läden die schönsten Sachen kaufen.“
Zwei Monate in Venedig … Alessa überlegte besorgt, wie die Kinder all die neuen Eindrücke verkraften würden. Offenbar nimmt Frances an, ich würde mitfahren. Seltsam, dass Tante Honoria nichts davon erwähnt hat … Sie schaute wieder über ihre Schulter. Seite an Seite wanderten die beiden älteren Frauen herauf, die Köpfe zusammengesteckt, in ein Gespräch vertieft. Helena musste den Aufstieg zu mühsam gefunden haben, denn sie saß im Sattel eines der beiden Maultiere, die ein Reitknecht am Zügel führte. Und Maria folgte dem Weg mit Mr. Harrison. Die Blicke zu Boden gesenkt, schwiegen die beiden. Als sie stolperte, stützte er ihren Ellbogen, und sie schenkte ihm ein
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