Eine Liebe auf Korfu
warmherziges Lächeln.
Während sie weitergingen, hielt er ihren Arm fest. Das ist also Marias Geheimnis, dachte Alessa. Was wird Sir Thomas davon halten, dass sich seine Nichte in seinen Sekretär verliebt hat? Und Lady Trevick? Weiß sie schon Bescheid? Wohl kaum, wenn sich Maria nicht einmal ihrer Schwester anvertraut …
Schließlich erreichten sie das Tor des Klosters. Den Strohhut tief in die Stirn gezogen, lag Benedict unter einem Olivenbaum. Der Graf, der seinen Gehrock ausgezogen hatte, saß neben ihm, an den Stamm gelehnt, und blickte über die Bucht hinweg. Als die beiden Mädchen am Ziel der Wanderung eintrafen, richtete er sich auf und stieß Benedict an. „Soeben haben uns die ersten der furchtlosen Da men eingeholt. Welcher Tagtraum hat dieses Lächeln auf Ihre Lippen gezaubert, Kyria Alessa?“
Impulsiv antwortete sie: „Die Liebe.“
Benedict richtete sich abrupt auf, und der Hut fiel zu Boden.
„Ah, Sie sind verliebt?“ Zagredes Augen funkelten boshaft. „Und wer ist der Glückliche?“
„Ich habe keineswegs behauptet, ich wäre verliebt“, ent gegnete Alessa. „Und ich dachte nur im abstrakten Sinn an die Liebe.“
„Wie kann die Liebe abstrakt sein?“ Benedict setzte seinen Hut auf und erhob sich. „Welche Art von Liebe wäre das?“
„Zum Beispiel die Nächstenliebe“, antworte Ms. Blackstone ernsthaft.
„Nun, dann wollen wir alle dieses ehrenwerte Gefühl in unseren Herzen erwecken, bevor wir das Kloster betreten“, schlug Benedict in erstaunlich scharfem Ton vor, und sie schaute mit großen Augen zu ihm auf.
Der Graf schlüpfte wieder in seinen Rock, und Alessa schlang sich das Tuch, das sie als Schärpe getragen hatte, um den Kopf. Dann stülpte sie ihren Sonnenhut darüber. „Am besten gehe ich zuerst hinein und frage die Mönche, ob wir die Kirche und den Garten besichtigen dürfen.“
Einen jungen Laienbruder an der Seite, kehrte sie zurück. Inzwischen hatten auch die anderen Mitglieder der kleinen Wandergruppe den Eingang erreicht. Der Reitknecht band die Maultiere im Schatten fest, während die Damen mit ihren Kopftüchern hantierten.
Durch ein Labyrinth aus Pfaden und Treppen führte der Laienbruder sie in den Garten und bat sie mit einer scheuen Geste, Platz zu nehmen, bevor er verschwand.
„Wie schön!“ Angesichts der prachtvollen Aussicht auf das Meer und die Felsen verflog Lady Blackstones übliche kühle Gelassenheit. „Welch ein herrliches Fleckchen Erde!“
Ebenso begeistert, schlenderten die anderen umher und erforschten die Umgebung aus verschiedenen Blickwinkeln. Alessa, die den Klostergarten schon öfter besucht hatte, half dem Reitknecht, den Proviant auszupacken. Bald gesellten sich der Laienbruder und ein Diener hinzu, mit Wasserkrügen, einer Weinkaraffe und einer großen Schüssel voller glänzender Oliven.
„Sollen wir für die Bewirtung bezahlen, Ms. Meredith?“, fragte Benedict, nachdem sich der Laienbruder und der Dienstbote zurückgezogen hatten. „Ich möchte niemanden beleidigen.“
„Sicher wird man eine Spende schätzen. Am besten geben Sie das Geld dem Pförtner, wenn wir das Kloster verlassen. In der Kirche können Sie ein paar Münzen in die Kassette für die Kerzen werfen. Selbst wenn Sie keine anzünden, werden die Mönche diese Aufgabe übernehmen und für unsere sichere Heimkehr beten.“
Bald danach versammelten sich alle, um zu picknicken. Alessa setzte sich mit einem gefüllten Teller auf den Rand eines Brunnens. Von hier aus konnte sie das Meer nicht sehen, aber die imposante Architektur des Klostergebäudes bewundern. Benedict kam zu ihr, in einer Hand einen Teller, in der anderen einen Becher. „Darf ich bei dir Platz nehmen, Alessa?“
„Natürlich.“ Die anderen befanden sich außer Hörweite, da sie die Aussicht auf das Meer bevorzugten. Seit dem Wortwechsel auf der Terrasse der Villa war sie nicht mehr mit Benedict allein gewesen, und sie fragte sich, was sie von ihm erwarten sollte – einen unanständigen Vorschlag, falls der Graf recht behielt …
„Möchtest du eine Kerze für unsere sichere Heimkehr anzünden?“ Benedict setzte sich auf den Brunnenrand.
„Sehr gern, obwohl meine Tante mich für abergläubisch halten wird.“
„Und in welche Heimat soll dein Weg führen?“
Zu dem Ort, wo du sein wirst … So lebhaft gingen ihr die Worte durch den Sinn, dass sie sekundenlang fürchtete, sie hätte sie ausgesprochen. Benedict starrte sie an. Hatte sie tatsächlich etwas gesagt?
14.
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