Eine Liebe auf Korfu
ungeheuerlich.“
„Leider hast du keine Wahl, Tante.“ Alessa straffte die Schultern und hielt dem funkelnden, von Zorn erfüllten Blick der älteren Frau stand. „Entweder nimmst du uns alle mit. Oder wir bleiben hier.“
„Wie kannst du es wagen, mich zu erpressen, du undankbares Ding?“
„Glaub mir, Tante Honoria, ich kehre sehr gern in mein früheres Leben zurück, unterstützt vom Erbe meines Vaters, das mir zusteht. Weder an dich noch an meine Verwandten in England werde ich Forderungen stellen. Ich beabsichtige auch nicht, auf dieser Insel mit meiner Herkunft zu prahlen. Und wer darüber informiert ist – in ein paar Wochen wird Gras über die Sache wachsen, und die Klatschbasen werden sich mit wichtigeren Dingen befassen.“
„Vielleicht hier. Aber wenn die Neuigkeit nach England gelangt, wird unsere Familie ernsthaften Schaden nehmen. Womöglich würde ein solcher Skandal Frances’ Debüt beeinträchtigen.“
„Dann nimm uns alle mit.“ Um ihr Zittern zu verbergen, schlang Alessa die Finger ineinander. „Ich werde mich nicht anders besinnen. Wenn du mich jetzt entschuldigst – ich muss den Kindern sagen, wann ich sie nächstes Mal se hen werde.“
Sie hoffte, die Tante würde sie zurückrufen. Aber als sie auf die Terrasse ging, folgte ihr nur ein abgrundtiefer Seufzer. Die Kinder ließen sich nicht blicken. Verwirrt trat sie zur Balustrade und sah sich um. Dann hörte sie Dora kreischen und schaute zum Strand hinab. Mit bloßen Füßen, die Hosenbeine hochgekrempelt und die Röcke gerafft, wateten sie alle durch das seichte Wasser. Den Hut in der Hand, fächelte sich Kate Kühlung zu. Demetri ließ kleine Steine über die Wellen tanzen und forderte Benedict auf, seine Kunst zu bewundern. Und der Earl schwenkte Dora hoch in die Luft. Hingerissen jubelte das kleine Mädchen, und in Alessas Augen brannten Tränen.
Agatha ausgenommen, tummelten sich alle Menschen auf dieser Welt, die sie liebte, da unten am Strand, lachten und spielten. Und hinter ihr traf die Repräsentantin ihrer richtigen Familie Entscheidungen, die nur auf Vorurteilen basierten – auf der Angst, was die Leute denken mochten. Erbost rannte sie die Außentreppe hinab. Als sie den Strand erreichte, hatte sie ihre Fassung zurückgewonnen und lächelte Kate an. Hand in Hand rannten Benedict und Dora hinter Demetri her, und Seine Lordschaft schwang einen Klumpen schleimiges Seegras empor, um ihn auf den Jungen zu werfen.
„Schau ihn doch an!“ Lachend setzte Kate ihren Hut wieder auf. „Wie ein kleiner Junge führt er sich auf! Er kann einfach großartig mit Kindern umgehen.“
„Das sehe ich.“ Benedict holte Demetri ein. Von Dora angefeuert, fochten die beiden ein Duell mit Treibholz aus.
„Vorhin trafen wir ihn auf der Terrasse“, berichtete Kate. „Sobald er unsere niedergeschlagenen Mienen sah, befahl er einem Lakaien, ein Tablett mit Erfrischungen hier herunterzubringen.“ Grinsend zeigte Kate auf einen Dienstboten, der einen Limonadenkrug, Gläser und Biskuits auf einem flachen Felsen anrichtete, ohne eine Miene zu verziehen. „Und dann erklärte er mir, es wäre eine gute Idee, die Kinder von der verknöcherten alten Vettel abzulenken.“
„Nein, das hat er nicht gesagt!“ Was für eine wundervolle Beschreibung …
„Nicht wörtlich. Aber er hat’s gemeint. Genau das ist Ihre Ladyschaft ja auch, nicht wahr?“
„Allerdings“, stimmte Alessa seufzend zu. „Meine Tante wünscht, dass die Kinder hierbleiben. Wenn sie auch zugibt, sie wären gut erzogen – sie meint, sie würden immer griechische Bauern bleiben. In England könnten sie höchstens bessere Dienstboten werden.“
„Was für ein Unsinn! Der Junge wird’s zum Botschafter bringen – und unsere süße, hübsche Dora wird einen Duke heiraten.“
Belustigt beobachteten sie den künftigen Diplomaten und die künftige Duchess, die einen Earl durch das seichte Wasser jagten und wie am Spieß brüllten.
„Was wirst du tun, Alessa?“
„Soeben habe ich meiner Tante mitgeteilt, entweder würden wir sie alle nach England begleiten oder hierbleiben.“
„Oh, ich wette, da war sie ganz begeistert.“ Die Stirn gerunzelt, musterte Kate das fröhliche Trio in der Brandung. „Glaubst du, Seine Lordschaft weiß, wie schwer man Salzflecken aus diesem feinen Wollstoff rauskriegt?“
„Sicher nicht. Welcher Gentleman würde sich mit solchen Dingen auskennen? –Stell dir vor, Kate, meine Tante hat behauptet, die Leute würden die Kinder für
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