Eine Liebe auf Korfu
Aufmerksam studier te er die Takelage und die Trimmung der Segel. Könnte ich die Schaluppe navigieren? Ja, mit kleiner Besatzung, die ihr Handwerk versteht … Waffen. Natürlich muss ich mich bewaffnen … Seinen Degen und die Pistolen hatte er in der Kabine zu rückgelassen. „Ich möchte meinen Hut holen“, erklärte er und stand auf. „Darf ich nach unten gehen?“
„Aber sicher, lieber Freund. Was Sie suchen, werden Sie nicht finden. So schöne Pistolen …“
„Gewiss, das sind sie“, bestätigte Benedict höflich und versuchte, nicht mit den Zähnen zu knirschen. „Trotzdem brauche ich einen Hut.“
Auf dem Weg zur Kabine hielt ihn niemand auf. Tatsächlich, die Pistolen waren verschwunden – ebenso der Degen, der Brieföffner und das Rasiermesser. Sein übriges Gepäck hatten die Männer ordentlich verstaut. Leise schloss er die Tür hinter sich und gestattete sich minutenlang den Luxus, die Beherrschung zu verlieren und seinem Zorn mit unflätigen Flüchen Luft zu machen. Dann setzte er sich an den Schreibtisch und versuchte logische Überlegungen anzustellen – ohne Erfolg.
Vorerst konnte er nichts weiter tun, als die kalte Panik zu bekämpfen, die ihn zu überwältigen drohte, wann immer er an Alessa dachte. Sicher sorgte sie sich wegen der Kinder, und das war schon schlimm genug. Bald würde sie auch noch in die Klauen albanischer Freibeuter geraten – und in Voltar Zagredes Bett landen.
Würde der Graf ihr seinen Willen aufzwingen? Benedict starrte den Federkiel an, den er unbewusst entzweigebrochen hatte. Nein, wahrscheinlich nicht. Zagrede wür de sich auf seinen Charme und seine Verführungskünste verlassen. Aber würde sie sich diesem Mann hingeben? Möglicherweise, wenn sie glaubte, sie müsste es tun, um ihre Verwandten zu retten. Oder wenn sie fürchtete, sie hätte keine Zukunft in England oder auf Korfu, nachdem sie hoffnungslos kompromittiert worden war. Außerdem mochte sie den Albaner. Und verdammt, ich mag ihn auch … Trotzdem würde er ihm am liebsten den Hals umdrehen.
Wenn Alessa den Grafen bitten würde, die Kinder holen zu lassen, würde er das sicher tun und gut für sie sorgen. Gewiss wäre Demetri, der kleine Schlingel, ganz begeistert, das Piratenhandwerk zu erlernen.
Nun, dazu würde der Junge keine Gelegenheit bekommen – nicht, wenn er es verhindern konnte. Benedict verließ die Kabine, um herauszufinden, welche Grenzen seiner Freiheit gesetzt wurden.
Fast keine, wie sich herausstellte. Nur zweimal wurde ihm der Weg versperrt, vor dem Raum, den er für ein Waffenlager hielt, und vor Zagredes Kabine. Schließlich kehrte er an Deck zurück, wo der Graf neben dem Steuermann stand und eine Seekarte studierte.
„Fabelhaftes Schiff, nicht wahr?“ Als Benedict zu ihm kam, blickte Zagrede auf. „Haben Sie sich umgesehen?“
„Ja. Wie soll ich mich rasieren?“
„Das wird mein Kammerdiener erledigen. Er hat eine sehr ruhige Hand. Solange Sie ihn nicht ablenken …“
Plötzlich erinnerte sich Benedict an eine Frage, die ihn schon öfter beschäftigt hatte. „Wieso können Sie so gut Englisch?“
„Weil ich in Harrow zur Schule ging“, erwiderte Zagrede belustigt. „Irgendwie ist es den Lehrern misslungen, einen kompletten englischen Gentleman aus mir zu machen.“
Benedict betrachtete die Karte, studierte die Küstenlinie. Mittlerweile war Korfu in einem Dunstschleier verschwunden. Aber die albanischen Berge zeigten sich immer noch an der Steuerbordseite. „Wann wird es geschehen?“
Keine Sekunde lang glaubte der Graf, Benedict würde die Rasur meinen. „Morgen, in der Adria. Entspannen Sie sich, mein Freund. Genießen Sie die friedliche Stille, bevor wir kämpfen.“
„Wie konntest du etwas so Schreckliches tun?“ Vorwurfsvoll starrte Alessa ihre Tante an, die am anderen Ende der Kabine stand. „Sicher sind die Kinder außer sich vor Angst und Sorge.“
„Unsinn. Solche Gefühle kennen Bauernkinder gar nicht. Außerdem kümmert sich diese Mrs. Street um die beiden.“
Sie versteht es wirklich nicht, dachte Alessa bestürzt. Den tiefen Kummer, den sie heraufbeschwört, erkennt sie nicht, weil er nicht in ihr Weltbild passt … „Wenn wir in England ankommen, werde ich allen Leuten erzählen, was du getan hast“, drohte sie.
„Was habe ich denn verbrochen, Alexandra? Ich rette dich vor der Armut, und ich bringe dich zu deiner Familie. Falls du dummes Zeug redest, werden die Leute es richtig einschätzen, sobald ich ihnen erkläre, du
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