Eine Liebe in Den Highlands: Roman
und das Wetter wurde immer schlechter. Schließlich
gelangte ich an eine Stelle, von der aus ich nicht mehr nach unten steigen
konnte, nur noch weiter nach oben, und am Ende fehlte mir dazu einfach die
Kraft. Irgendwann fand ich einen Felsvorsprung und habe mich in Todesangst
daran festgeklammert. Ich schrie um Hilfe; das schien mir das Einzige zu sein,
was ich tun konnte. Aber man kann nicht allzu lange schreien, das kostet zu
viel Energie.«
Er hielt inne. »Noch einen Whisky?«
Jenny schüttelte den Kopf. »Was ist als Nächstes
passiert?«
»Ich rief weiter um Hilfe, wann immer ich die Kraft
dazu fand. Ich wusste, dass ich nicht einschlafen durfte, doch mir schwanden
langsam die Sinne. Ich dachte, ich würde sterben.« Er runzelte die Stirn.
»Seltsamerweise hatte ich nicht direkt Angst vor dem Tod, sondern mehr vor dem,
was passieren würde, wenn ich nicht starb.«
»Haben Sie an Ihre Familie gedacht, an Ihre Mutter?
Wusste sie, dass Sie da oben waren? Und in Gefahr?«
Er schüttelte den Kopf. »Meine Mutter starb, als ich
sieben war. Ich hatte nur noch meinen Dad. Er hielt sich im Ausland auf, bei
Freunden, und er wusste nicht, wo ich mich befand.«
»Und was war mit den Leuten, bei denen Sie wohnten?
Hätten die nicht Alarm geschlagen?«
»Dazu hatten sie keinen Grund. Ich war mit dem Zug
dorthin gefahren, und ich sollte mit dem Zug zurückkehren, jedoch erst sehr
viel später.«
»Mein Gott!«
Ross lächelte. »Hm, ja, der Gedanke kam mir damals
auch.«
»Dass es einen Gott gibt oder dass es keinen gibt?«
Er zuckte die Schultern. »Dass es ihn gibt, aber dass
es für die Welt keine Rolle spielte, ob ich weiterlebte oder starb.«
Ross wirkte jetzt etwas entspannter. »Nachdem ich eine
ganze Weile gerufen hatte, glaubte ich, gehört zu haben, dass jemand mir antwortete.
Ich will jetzt nicht weiter in die Einzelheiten gehen, doch vier Stunden
später, nach einer ziemlich haarigen Aktion, war ich wieder am Fuß des Berges.
Aber hätten nicht eine Menge Leute ihr Leben für mich aufs Spiel gesetzt, wäre
ich dort nie angekommen. Ihr Geschick und ihre Ausbildung haben mir das Leben
gerettet, doch sie haben es unter Einsatz ihres eigenen Lebens getan. Später
erzählten sie mir dann, dass ich mich in einer außerordentlich heiklen Lage
befunden hätte - es war schwierig, von unten an mich heranzukommen, aber noch
schwieriger, mich von oben zu erreichen.«
»Wie haben sie es dann geschafft?«
»Das Ganze ist mir nur ziemlich verschwommen in
Erinnerung geblieben. Zu dem Zeitpunkt litt ich bereits an Unterkühlung. Ich
verbrachte die Nacht unter Beobachtung im Krankenhaus, und am nächsten Morgen
fuhr ich zu den Freunden, bei denen ich wohnte. Man hatte ihnen mitgeteilt, was
geschehen war, und sie waren sehr erschrocken. Sie riefen dann meinen Vater an,
weil sie dachten, er würde nach Hause fliegen und mich holen kommen wollen,
aber er hat es nicht getan.« »Warum nicht?«
Ross schüttelte leicht den Kopf und drehte sein Glas
in den Fingern. »Ich weiß es nicht. Ich war zu dem Zeitpunkt außer Gefahr.
Vielleicht hatte er das Gefühl, es hätte keinen Sinn, seinen Urlaub zu unterbrechen,
da doch mit mir alles in Ordnung war.«
Jenny erwiderte nichts. Ihr eigener Vater war jetzt
seit vier Jahren tot, aber sie wusste, dass es zu seinen Lebzeiten keine Reise
gegeben hätte, die er nicht um ihretwillen auf sich genommen hätte, keine
Ferienpläne, die er nicht über den Haufen geworfen hätte.
Ross seufzte. »Ich habe viel zu viel geredet. Ich hole
Ihnen noch einen Whisky.« Er griff nach ihrem Glas und ging damit zur Theke.
Ross' Geschichte ließ, Jenny nicht los, ganz so, als
hätte sie selbst auf diesem Berg festgesessen. Der Gedanke an den Jungen, der
ganz allein auf einem Berg festsaß, wo er sich mit den Händen an einem
Felsvorsprung festklammerte, während Kälte und Schwäche ihm immer mehr zu
schaffen machten, ging ihr nicht mehr aus dem Sinn.
Ross kam mit ihrem Whisky und einer Tasse Kaffee für
sich selbst zurück. Jenny blinzelte und versuchte, wach und aufmerksam zu
wirken. Er lächelte, als fände er ihre Anstrengung rührend, jedoch nicht
überzeugend.
»Wie ist es dann weitergegangen?« Sie war fest
entschlossen, wach zu bleiben. »Sie haben offensichtlich nicht für immer den
Bergen entsagt. Ich an Ihrer Stelle hätte es getan.«
»Eine Weile bin ich auch tatsächlich nicht mehr in die
Berge gegangen, dann habe ich richtig klettern gelernt, und es war jahrelang
ein Hobby für mich.
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