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Eine Liebe in Paris

Eine Liebe in Paris

Titel: Eine Liebe in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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ich noch immer an der Wand neben der Tür stand. Mein Herz raste, aber ich bemühte mich um einen gleichgültigen Ausdruck auf meinem Gesicht, als Monsieur Ducreux mich ansah.
    »Du musst Ava sein. Willkommen am
Lycée Franco-Américain
.« Und an die Klasse gewandt fuhr er fort: »Das ist Ava Hofmann, die für einen Monat aus Deutschland bei uns zu Besuch ist. Ich erwarte, dass ihr ihr die Zeit hier so interessant und positiv wie möglich gestaltet. Verstanden?«
    »Verstanden«, erwiderte die Klasse wie aus einem Mund und zwanzig Augenpaare richteten sich mit offensichtlicherNeugierde auf mich. Meine Haut prickelte, und ich versuchte, mein Pokergesicht zu bewahren. War es richtig gewesen, dass ich mich heute Morgen für eine enge Jeans und das, wie ich fand, sehr coole Karohemd zu den Boots aus Schlangenleder entschieden hatte? Meine Hände mit den hellgrün lackierten Fingernägeln steckte ich lieber in die Hosentaschen. »
Asseyezvous
«, sagte Monsieur Ducreux und alle setzten sich.
    Ich war baff. Das alles erinnerte mich an die Armee oder an Filme aus den 50er Jahren.
    Monsieur Ducreux wandte sich noch mal an mich, und ich ertappte mich dabei, plötzlich ebenfalls sehr gerade zu stehen, bis er seinen Satz beendet hatte.
    »Wo willst du sitzen? Wo haben wir denn noch einen Stuhl für dich?«, fragte er. »Ah, dahinten, neben Solène.« Er zeigte auf ein Pult in der Mitte des Klassenzimmers und ich ließ mich neben dem blassen, braunhaarigen Mädchen namens Solène nieder. Sie lächelte mich an und schob ihre Sachen zusammen, sodass ich Platz hatte.
    »Was unterrichtet Monsieur Ducreux?«, fragte ich Solène flüsternd.
    »Geschichte. Wir sind gerade beim D-Day«, sagte sie.
    »
Silence. Il n’y a que moi qui parle!
«, sagte Monsieur Ducreux scharf und Solène rutschte auf ihrem Stuhl praktisch ein Stockwerk tiefer.
    »
Pardon
«, erwiderte sie, und ihre Wangen färbten sich flammend rot. Monsieur Ducreux sah mich an. »Wir besprechen das Ende des Zweiten Weltkriegs. Vielleicht kannst duuns später erzählen, Ava, wie dieses Thema im deutschen Geschichtsunterricht behandelt wird. Das interessiert uns sicher alle.«
    Und zack, noch einmal richteten sich zwanzig Augenpaare auf mich, und ich wurde wieder rot, als ich nickte.
    »Gut, dann machen wir weiter.«
    Monsieur Ducreux begann mit dem Unterricht, und im Klassenzimmer war es sonst so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. »Hier rede nur ich«, hatte er gesagt – das hätte sich in Augsburg mal ein Lehrer erlauben sollen. Nun, andere Länder, andere Sitten, dachte ich, als Monsieur Ducreux gerade eine Karte der Strände der Normandie aufrollte. Und wenn es in Paris am
Lycée Franco-Américain
Doppelstunde hieß, dann war es auch eine Doppelstunde, zwei mal ewige sechzig Minuten lang, statt nur fünfundvierzig wie in Deutschland. Ich freute mich jetzt schon auf die Doppelstunde Kunst am kommenden Montag. Eigentlich albern, die Schule an einem Freitag zu beginnen, ich hätte auch gut schwänzen können. Aber nun lag nur noch das Wochenende zwischen mir und der Begegnung mit Frankreichs aufregendstem jungen Künstler.
    Neben mir griff Solène zu einem Stift und begann, zu Monsieur Ducreux’ Vortrag eifrig mitzuschreiben. Ich schielte auf ihr Papier und verstand nichts von dem Gekritzel, denn sie schrieb so schnell und mit so vielen Abkürzungen, dass das Ergebnis für mich wie ein Fluch aus einem Asterix-Comic aussah. Aber vielleicht musste man so eifrig schreiben, uman einer so besonderen Schule wie dieser mithalten zu können. Was für ein Glück diese Schüler hatten, dachte ich, als ich ebenfalls zu einem Stift griff und mitschrieb, um wenigstens so zu tun, als ob ich hier irgendetwas verstand.

Als ich am Sonntag erwachte, fühlten sich meine Glieder an wie Blei. Dabei hatte ich mich so auf mein erstes Wochenende in Paris gefreut. Durch das offene Fenster zog kühle Herbstluft und auf meinen Armen zeigte sich eine Gänsehaut. Der Himmel über Paris war grau und bewölkt und nur ab und an blitzte etwas Sonnenlicht durch das Oberfenster in mein
Chambre de Bonne
.
    »Was willst du heute unternehmen?«, fragte Marie mich beim Frühstück, wo für mich eine bereits gebutterte
Tartine
neben einer dampfenden Tasse heißer Schokolade bereitstand. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass ich mit meiner Vermutung von vorgestern recht gehabt hatte: Marie hatte Camille einen Fruchtsalat gemacht, zu dem sie ein Glas Milch der höchsten Magerstufe

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