Eine Liebe in Paris
mit gesenktem Kopf in die Anfangsposition zurück. In dem kleinen Body wirkte ihr junger Körper erschreckend zart, obwohl jeder Muskel sich lang und fein unter ihrer schimmernden Haut abzeichnete. Ich sah Marie Lefebvre zustimmend nicken.
Nach der Stunde sprach sie noch kurz mit Camilles Lehrerin. »Ich weiß nicht,
Chérie
«, hörte ich Madame Sarakowa sagen, während Camille bereits in der Umkleide verschwand.
»Es muss einfach klappen«, erwiderte Marie. »Wir haben so hart gearbeitet.«
»Mal schauen. Aber zu viel Hoffnung kann ich dir nicht machen«, sagte die Lehrerin, als Camille aus der Umkleide kam. Sie trug nun enge Jeans und einen kleinen schwarzen Rollkragenpulli mit Puffärmeln. Die dunkle Kleidung ließ sie blass wirken, sie sah wirklich müde aus. Marie wandte sich ihr zu und musterte sie. Die Unzufriedenheit mit ihrer Tochter war ihr deutlich anzumerken, dennoch umarmte sie Camille und küsste sie tröstend auf die Stirn.
»Gut gemacht, Kleines. Wir schaffen das schon. Ich weiß, du wirst mich nicht enttäuschen. Du wirst eine
Étoile
, so wie ich es gewesen bin, aber
du
wirst deine Karriere zu Ende führen!«, sagte sie, ehe sie zu mir blickte. »Ich bringe Ava jetzt in die Stadt, Camille. Was hast du heute vor? Kommst du mit?«
»Nein danke, ich nehme die
Métro
«, sagte Camille und zückte die orangefarbene Plastikhülle, in der sie ihre Monatskarte für die U-Bahn, die
Carte Orange
, aufbewahrte. Ich hatte mir am Morgen bei der nahen Metrostation
Convention
eine eigene besorgt.
»Willst du Ava nicht begleiten?«
»Das würde ich gerne tun, aber ich habe eine Verabredung, die sich leider nicht aufschieben lässt. Ich habe sie schon getroffen, ehe ich wusste, dass Ava kommt.«
»Wie du willst. Bis später. Ich habe nachher auch noch etwas vor, wir sehen uns am Abend daheim. Viel Spaß, mein Schatz, und pass auf dich auf. Komm, Ava.«
Im Auto sprachen wir kaum, denn Marie schien in Gedanken versunken, und ich konnte mich an allem dort auf den Straßen von Paris nicht sattsehen. Wir bogen auf die
Place du Palais Royal
.
»Sieh mal, dort ist der
Louvre
. Siehst du die Glaspyramide, die Präsident Mitterand mitten zwischen die alten Bauten gesetzt hat? Das ist der Eingang zum Museum. War das nicht fabelhaft gewagt von ihm?«, sagte Marie. »Als er den Bau vorgeschlagen hat, schrien alle Zeter und Mordio, und bis heute halten sich die Gerüchte, er habe mit dem Teufel im Bund gestanden, weil die Pyramide aus genau sechshundertsechsundsechzig Glasscheiben besteht.«
Ich reckte den Hals und sah einen riesigen Springbrunnen im herbstlichen Sonnenschein vor der Glaspyramide des
Louvre
glitzern. Seine Tropfen brachen das Tageslicht in Tausend Prismen, und ich wünschte mir, diesen Effekt auf meiner Leinwand mit dem Pinsel einzufangen. Vielleicht später am Tag, wenn ich wieder bei den Lefebvres zu Hause war. Aber erst einmal musste ich ein Geschäft finden, das Kunstbedarf verkaufte, denn ich hatte nur meinen Skizzenblock eingepackt.
Marie bog von der
Rue de Rivoli
mit all ihren großen Kaufhäusern ab und hielt auf einem kleinen Platz an, in dessen Mitte ich einen Eingang zur
Métro
sah.
»Hier, das ist der Eingang zur Linie vier. Die bringt dich hoch bis
Barbès
, dann bist du
Montmartre
und
Sacré Cœur
schon ganz nahe. Alles klar? Hast du alles, was du brauchst?«
Ich nickte und nahm meine Tasche. »Danke. Wird schon klappen. Bis heute Abend.«
»Bis heute Abend. Und viel Spaß in
Montmartre
.«
Montmartre
interessierte mich heute nicht im Geringsten, dachte ich, als ich Marie noch einmal zuwinkte und die ersten Stufen in den Metroeingang hinunterging. Aber das musste sie ja nicht wissen. Sobald ich sicher war, dass sie davongefahren war, stieg ich wieder ans Tageslicht und schlug den
Paris pratique
auf. Es dauerte eine Weile, bis ich die richtige Seite gefunden hatte, aber dann freute ich mich: Super, hier war ich ja schon mitten im Hallenviertel
Les Halles
mit dem großen bunten
Centre Pompidou
und das
Marais
lag nur einen Steinwurf weit entfernt.
Es machte Spaß zu tun, was man wollte, und das vor allen Dingen in Paris, entschied ich und bummelte los.
Drei Stunden später saß ich erschöpft in einem kleinen Café am
Place des Vosges
. Meine Füße schmerzten, aber ich schlug doch, kaum dass ich meinen grünen Tee und meinen
Crêpe
mit Schokolade serviert bekam, den
Paris pratique
auf, um zu sehen, was ich bereits alles erkundet hatte. Viel war es nicht, verglichen mit den
Weitere Kostenlose Bücher