Eine Liebe in Paris
glaube, wieder bei Wolff. Er will sie noch einmal malen. Ich rufe sie mal an.«
»Wenn ihre Tasche hier ist, dann auch ihr Handy«, sagte ich und wurde rot.
»Meinst du?« Camille griff nach der Tasche und ließ den Verschluss aufschnappen. »Stimmt, du hast recht. So was Dummes. Na, sie wird schon rechtzeitig zurückkommen. Sonst muss ich eben die
Métro
nehmen.«
Ich sagte nichts und Camille warf mir im Gehen noch einen letzten Blick zu. »Bis nachher, Ava. Oder wenn ich dich nicht mehr sehe, dann wünsche ich dir jetzt schon einen schönen Abend.«
»Dir auch, Camille«, sagte ich höflich, aber ehe sie zur Tür heraus war, dachte ich noch an Marie, die mich gebeten hatte, zu Camille wie eine ältere Schwester zu sein. Wenn also Marie nicht rechtzeitig von Wolff zurückkam, so musste ich wohl oder übel Camille unter meinen Flügel nehmen.
»Camille?«, rief ich ihr deshalb nach.
»Ja?« Sie wandte sich in der Tür um.
»Deine
Soirée
heute Abend …«
»Was ist damit?«
»Kannst du denn da einfach so jemanden mitbringen?«
»Ich denke schon. Solange wir alle um einen Tisch passen«, erwiderte sie rätselhaft.
»Ist es denn ein richtiges Essen?«
Sie lachte. »Nein. Du wirst schon sehen. Ich klopfe um acht an deine Tür, okay?«
»Okay.«
Sie ging, und ich wartete, bis ihre Schritte im Gang und auf der Treppe verklangen, ehe ich Wolffs Nummer aus meiner Hosentasche zog. In einem Anfall von Irrsinn presste ich meine Lippen auf das kleine Papier. Jede Zahl seiner Nummer war Gold wert. Was hatte Camille gesagt, ihre Mutter saß ihm heute wieder Modell? Dann musste ich mit dem Anrufen noch ein bisschen warten, entschied ich und ging hinauf in mein Zimmer.
Ich versuchte, etwas zu schlafen, doch mein Herz raste und in meinem Magen und tiefer unten rumorte es. Meine Gedanken fanden keine Ruhe, sondern kreisten nur um das mögliche Gespräch mit Wolff. Wie wollte ich klingen? Cool und distanziert oder jung und fröhlich und vor Energie und
La Passion
überschäumend? Ich wusste genau, wie Camille klingen würde – nämlich abwartend und auf Abstand bedacht. Ihre Augen waren groß wie Untertassen gewesen, als sie mich gefragte hatte:
DU rufst ihn an?
Die Kleine ging mir so richtig auf die Nerven mit all ihrem braven Getue. Ich konnte es wirklich kaum abwarten herauszufinden, wo sie immer hinging: Lange musste ich mich ja nicht mehr gedulden, ich musste ihr nur morgen nach dem Mittagessen folgen, und vielleicht gab mir die
Soirée
heute Abend schon einen ersten Hinweis auf ihr Treiben.
Das Klingeln meines Telefons riss mich aus den Gedanken.
Mogens
, leuchtete auf der Anzeige auf und ich schaltete mein Handy gereizt auf leise. Jetzt nicht, Mogens. Jetzt musst du warten, dachte ich und unterdrückte ein nervöses Kichern. Er hinterließ eine lange Voicemail, denn es dauerte eine guteWeile, bis mein Telefon zweimal piepste. Ich stand auf und sah mich im Spiegel an. Schon bei dem Gedanken an mein Gespräch mit Wolff hatte ich rote Wangen und leuchtende Augen bekommen. Also, dann wollen wir mal eine General-probe machen. Ich räusperte mich, um meine Stimme tiefer zu legen und sie erwachsen und rauchig klingen zu lassen.
»Oh, hi, hier ist Ava … ich wollte nur mal sehen, wie es dir geht … du hast doch gesagt, ich soll dich anrufen …« Nein, das war alles Mist. So sprachen doch nur unbedeutende kleine Mäuse, nicht Mädchen, die nach einer Göttin des Films benannt waren. Und Künstler waren, so wie er. Nur noch nicht ganz so erfolgreich, gestand ich mir ein. Ein Mädchen wie ich musste ihm doch keinen Grund für einen Anruf nennen, oder?
Ich versuchte es noch einmal und summte, um meiner Stimme ein noch besseres
Timbre
zu verleihen.
»Hallo, hier ist Ava …« So klang es schon besser: tief und rauchig. Ob Marie wohl inzwischen zu Hause war? Blöd, dass ich hier oben so von allem Vorgehen im Haus abgeschnitten war.
Ich griff zu meinem Handy und meine Hände zitterten. Alles in mir krampfte sich schmerzhaft zusammen, der Mund wurde mir trocken und meine Finger versuchten vergeblich, das Papier mit Wolffs Telefonnummer glatt zu streichen. Dann zwang ich mich zu schlucken und begann, die Nummer zu wählen. Vielleicht hörte er ja sein Telefon nicht, und vielleicht konnte ich eine Voicemail hinterlassen, hoffteich feige. Vielleicht, vielleicht, vielleicht, raste mein Herz, als sein Telefon zu läuten begann.
»
Oui, allo?
« Seine Stimme klang kühl, als er nach nur dreimaligem Klingeln antwortete. Mein
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