Eine Liebe in Paris
ihrer Bestimmtheit Furcht einflößend wirken.
»Es klingt mir nicht danach, als hätte ich euer Leben durcheinandergebracht, sondern als hätte ich einiges klargestellt«, sagte ich.
Camille wollte wieder auffahren, doch dieses Mal ließ ich ihr keine Chance zur Widerrede, sondern legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an mich.
»Okay, ich will mit dem Kopf durch die Wand, und es stimmt, ich habe mich dir gegenüber dumm verhalten. Aber du musst es mir erlauben, das wiedergutzumachen, ja?«
»Wie denn?«, fragte Camille trotzig und mit allem Ernst der Welt in ihrem Blick.
»Na, wie wäre es zum Beispiel mit einem
Crêpe?
Aber nur Schokolade mit Banane zählt als echter Entschuldigungscrêpe, okay?«
Sie lachte auf. »Gut. Das esse ich besonders gerne.«
»Ich auch. Es ist schon mein zweiter heute«, gab ich zu, stand auf, streckte ihr die Hand hin und zog sie hoch.
»Was hast du da in der Tüte?«, fragte sie mich.
»Oh, nur etwas, das ich auf dem Flohmarkt gefunden habe. Ein Geschenk für jemanden. Willst du es sehen?«
»Zeig es mir nachher. Ich muss noch mein Segelboot zurückbringen.«
»Mach das. Welche ist die beste
Crêpe
-Bude hier in der Nähe? Du musst das doch wissen.«
»Die da oben, nahe dem Eingang am
Boul’ Mich
.«
»Okay. Ich warte auf dich.«
Als ich Camille dabei zusah, wie sie ihr Boot abgab, schien die Sonne ein wenig heller, und die Vögel in den vielen Bäumen des
Jardin de Luxembourg
sangen lauter, denn ich hatte mitten in dieser großen und noch immer fremden Stadt eine Freundin gefunden.
Camille und ich saßen auf einer Bank im
Jardin de Luxembourg
und redeten so lange, dass ich keine Zeit mehr hatte, um nach Hause zu gehen und mich umzuziehen, ehe ich zu Wolff wollte. Aus dem einen
Crêpe
waren drei geworden, aber wenigstens waren nicht alle mit Schokolade und Banane belegt. Zitrone mit Zucker und Marmelade war gewiss eine sehr viel gesündere und schlankere Wahl, tröstete ich mich, während ich mir noch den Zucker aus den Mundwinkeln leckte.
»Wo gehst du jetzt hin?«, fragte sie mich am Ausgang des Parks, der in Richtung
Montparnasse
führte.
»Mein Geschenk abgeben«, sagte ich und konnte meine Vorfreude auf Wolff wohl nicht verbergen, denn Camille sagte: »Du leuchtest ja geradezu. Ist es ein Geschenk für Wolff?«
»Wie hast du das erraten?«, fragte ich erstaunt.
Sie lachte. »Oh, Ava. In dir kann man lesen wie in einem offenen Buch. Aber es ist ein gutes Buch, also mach dir nichts draus.«
»Ich bin ein gutes Buch?«
»Oh ja, ein sehr spannendes zumindest. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was vielleicht noch alles passieren wird. Und so soll es doch sein.«
»Hm.« Das hatte mir noch niemand gesagt. Sie stupste die Tüte an.
»Was ist es denn?«
»Eine alte Palette. Sie hat angeblich Matisse gehört.«
»Oje. Da bist du, glaube ich, auf einen alten Flohmarktzauber hereingefallen. Auf dem Flohmarkt von
Clignancourt
ist es mit den Paletten, die angeblich Matisse gehört haben, wie mit den Splittern von Jesus’ Kreuz im Vatikan.«
»Was ist denn mit den Kreuzsplittern?«, fragte ich beunruhigt.
Camille lachte, aber es klang freundlich. »Wenn du alle zusammensetzt, dann hast du zehn Kreuze.«
Ich musste enttäuscht ausgesehen haben, denn Camille sagte schnell: »Sie ist sicher schön, und das ist doch das Einzige, was zählt. Er freut sich bestimmt sehr darüber.« Sie sah auf ihre Uhr. »Wann bist du mit ihm verabredet?«
»Überhaupt nicht. Ich gehe einfach bei ihm vorbei.«
»Einfach so?«, fragte sie und runzelte die Stirn. Vor einer Woche noch hätte mich diese Reaktion genervt, nun machte sie mich nachdenklich.
»Meinst du, das ist falsch?«, fragte ich.
Sie zuckte rasch die Schultern und lächelte mich ermutigend an. »Nein, nein. Wenn man verliebt ist, dann gibt es kein Falsch und kein Richtig. Er freut sich bestimmt, dich zusehen.« Dann umarmte sie mich und ich küsste sie auf beide Wangen.
»Brav bleiben«, sagte sie und zwinkerte mir zu, ehe sie sich umdrehte und zur nächsten Ampel ging.
»Aber immer«, sagte ich und lachte. Camille wandte sich auf dem
Boulevard Saint-Michel
noch einmal um und winkte mir zu.
Ich hatte Lust, an das andere Seineufer zu laufen, statt die
Métro
zu nehmen. Die Brise war einfach zu frisch und der Himmel zu groß und zu blau, um unter die Erde zu verschwinden. In meiner Vorfreude auf Wolff wollte ich kein Maulwurf sein, sondern ein Vogel.
Schon bei dem Gedanken an ihn wurde es mir heiß im Bauch
Weitere Kostenlose Bücher