Eine Liebe wie Magie
er seinen Fuß auf englischen Boden gesetzt hatte, hatte der neue Vicomte seinen Anspruch auf den Titel geltend gemacht - und mit ihm auch auf den Besitz Keighley Cross. Sein Anwalt hatte einen Brief geschickt, in dem er Sarah dankte, daß sie den Besitz während ihrer Zeit dort so gut erhalten habe, und ihr eine kleine vierteljährliche Rente zugewiesen, die ihr aus dem Vermögen zufließen würde. Sie wollte den Betrag nicht nennen, dennoch wußte Noah, daß es nicht viel sein konnte. Obwohl er alle Schulden Tonys übernommen hatte und das Keighley-Stadthaus noch nicht verkauft war, war Sarah im Grunde genommen jetzt auf die Unterstützung anderer angewiesen. Es war ein Schicksal, das sie so oder so ähnlich mit vielen jungen Frauen teilte.
»Sie hat nichts, womit sie sich beschäftigen kann«, sagte Tolley. »Keinen Ehemann. Keine Kinder, um die sie sich kümmern könnte. Es wäre gut für sie zu heiraten. Eine Heirat voll-bringt wahre Wunder, was die Stimmung einer Lady anbelangt.«
Am Tisch wurde es still. Als Noah von den Karten aufblickte, sah er, daß die anderen ihn ansahen. Ihre Gedanken waren leicht zu erraten. Sie erwarteten, daß er Sarah heiratete und sie durch das Gelübde von ihren Sorgen erlöste. Er selbst hatte sich schon dabei ertappt, wie er diese Möglichkeit in Betracht zog, und tatsächlich hatte er genau diesen Gedanken im Sinn gehabt, als er sie Anfang der Woche besucht hatte.
Noah versuchte, sich wieder auf seine Karten zu konzentrieren, doch die Gedanken kamen ungebeten. Ja, eine Heirat mit Sarah könnte die perfekte Lösung sein. Er würde Sarah die Last von den Schultern nehmen, sowohl finanziell als auch sonst, und es würde ihn gleichzeitig von seiner eigenen persönlichen Verpflichtung Tony gegenüber entbinden, sich immer um Sarah zu kümmern. Aber sosehr er auch versuchte, an sie zu denken, wie ein Mann an seine Ehefrau denken würde, wann immer er ihre Hand ergriff und sie von Herzen küßte: Noah war nicht in der Lage, mehr für sie zu empfinden als die Zuneigung und brüderliche Achtung, die er schon immer für sie gefühlt hatte. Er konnte einfach nicht das Bild aus seinem Kopf vertreiben, wie sie mit sieben Jahren auf der Terrasse auf Keighley Cross mit ihren Puppen eine Teestunde abhielt. Sie hatte in ihm immer so etwas wie ihren Helden gesehen. Wenn sie ihn jetzt ansah, war in ihren Augen immer noch die gleiche Bewunderung, aber auch noch etwas anderes — blanke und offensichtliche Hoffnung.
Wie paradox war sein Leben doch geworden. Noch vor knapp zwei Jahren wäre eine Heirat ohne Liebe, ohne Leidenschaft unvorstellbar für ihn gewesen. Er hatte seinen eigenen Bruder Robert zurechtgewiesen, als der eine Heirat mit einer Frau eingehen wollte, von der er freizügig zugab, daß er sie nicht liebte. Glücklicherweise kam diese Ehe nie zustande, und als Robert dann mit Catriona seine Liebe fand, hatte dies Noahs
Entschluß nur gestärkt, niemals ohne das gleiche Gefühl zu heiraten. Kurz danach hatte Noah Lady Julia Grey getroffen und hatte geglaubt, seine Junggesellentage hätten nun ihr glückliches Ende gefunden.
Julia war alles gewesen, was er sich je als Frau, Geliebte und Mutter seiner Kinder erträumt hatte. Blond, von klassischer Schönheit, war er von dem Augenblick an, als sie ihn mit ihren tiefblauen Augen ansah, erfüllt von dem brennenden Wunsch, sie zu bekommen. Sein einziges Ziel in der letzten Saison war es gewesen, Julia zu seiner Frau zu machen. Doch fünf Minuten vor zwölf hatte Noah die schreckliche Wahrheit über Julia erfahren, eine Wahrheit, die ihn schließlich eines Spätsommertages in der Morgendämmerung auf den Duellplatz geführt hatte. All seine Hoffnungen für die Zukunft, für seine Zukunft und die seiner Kinder, hatten sich in dem schwarzen Pulverrauch aufgelöst, der dem Abfeuern seiner Pistole folgte.
Also warum sollte er mit Sarah keine Ehe eingehen? Er hatte es mit einer Heirat aus Leidenschaft versucht und nur Verzweiflung gefunden. Warum nicht statt dessen eine Heirat aus Kameradschaft? Er kannte Sarah gewiß besser als jede andere Frau, er kannte ihre Sanftmut, ihre angeborene Freundlichkeit. Bei Sarah bräuchte er nie ihre Treue in Frage zu stellen, niemals müßte er fürchten, was ihm mit Julia passiert war. Doch konnte er wirklich den Rest seines Lebens mit einer Frau verbringen, die er sexuell nicht begehrte? Allein der Gedanke, mit Sarah ins Bett zu gehen, kam ihm unnatürlich vor. Und indem er das erkannte, wußte er, daß
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