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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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kochen.«
    »Schon recht, Mutter.«
    Jill sah William an, als ob sie etwas zu sagen wünschte. William gab ihren Blick zurück.
    »Was ist mit euch beiden?« fragte Ruth scharf.
    »Mutter, darf ich diese Dame besuchen?«
    Jill brachte ihre Frage hastig vor, als fürchtete sie sich, sie zu stellen.
    »Sie ist eine Fremde«, sagte Ruth.
    »Nein, das ist sie nicht«, widersprach William. »Sie ist eine alte Freundin von mir, Ruth. Ich kannte sie früher gut. Sie möchte, daß Jill zu ihr kommt und eine Zeitlang bei ihr bleibt.«
    »Nein«, sagte Ruth, »nein.«
    Sie hatte nicht die Absicht gehabt, so ausdrücklich zu sprechen, aber das Wort flog tief aus ihrem Innern hinaus.
    »O Mutter!« rief Jill.
    »Warte, Jill«, befahl William. »Laß mich Mutter alles erklären.«
    Alle drei standen sekundenlang schweigend da.
    Dann sagte Ruth zu Jill: »Geh und fang mit der Marmelade an.«
    »Ja, Mutter.«
    Die beiden blieben allein zurück. William blickte in Ruths Augen, in diese blauen Augen, die er nie feindlich gesehen hatte. Jetzt aber waren sie feindlich.
    »Komm, mein Liebling«, sagte er.
    Er legte den Arm leicht um ihren Leib, und er wunderte sich über den Widerstand des Körpers, als sie ihm wortlos gehorchte und mit ihm in die Bibliothek ging. Er schloß die Türe hinter sich.
    »So«, sagte er.
    Sie stand mitten im Zimmer. Ihr hellbraunes Haar mit den zwei weißen Streifen über der Stirne, ihr starker bloßer Hals, das weiche, rosige Gesicht, die ganze kühne, abwehrende Gestalt, alles nahm er in seiner Gesamtheit wahr, und sein Herz hüpfte vor Bewunderung – wie sie war, bewunderte er sie. Er kannte jetzt ihre Grenzen. Es gab nichts an ihr, das er nicht kannte; ihre Unwissenheit und ihr Wissen, ihre Vorurteile und ihre schrankenlose Großmut, ihre körperliche und geistige Gesundheit und, was ihm immer noch über alles ging, ihre kräftige, unverwüstliche Schönheit.
    »Was möchtest du mich zuerst fragen?« sagte er ruhig.
    »Nichts«, antwortete sie. »Ich frage gar nichts.«
    Er war so überrascht, daß er nichts anderes zu tun wußte, als dem nachzugehen. »Warum nicht?«
    »Vor langer Zeit habe ich mir vorgenommen, dich nie etwas zu fragen, außer was mit mir zu tun hat.« Ihre Augen, die nicht blinzelten, waren klar wie der Tag. »Als du in dieses Haus kamst, wußte ich, daß du aus einer Welt stammtest, die ich nicht kannte – ich konnte sie ja nicht kennen, weil ich ihr nicht angehörte. Vielleicht würdest du eines Tages dorthin zurückkehren wollen, dachte ich. Nun, dann wollte ich dich nicht halten. Das sagte ich mir zuerst. Jetzt weiß ich – nachdem wir so lange miteinander gelebt haben –, daß ich alles, was in meinen Kräften steht, tun werde, um dich zu halten. Wenn ich Jill gehn lasse … das wäre, als ließe ich dich teilweise gehn. Ich kann es nicht.«
    »Ich werde niemals fortgehen, Ruth.«
    Aber in diesem Augenblick trieb es ihn nicht, sie zu berühren.
    »Du weißt nicht, was du tun wirst«, entgegnete sie.
    Sie wollte sich ihm nicht nähern. Sie hatte plötzlich das Gefühl, daß sie es nicht vermochte. An diesem Tage war eine schöne, stolz aussehende Frau gekommen, um William zu besuchen; woher und weshalb sie gekommen war, wußte Ruth nicht; sie wünschte es auch gar nicht zu wissen. Aber sie wollte nicht zulassen, daß diese Frau irgend etwas aus ihrem Hause fortnahm.
    »Wenn du Jill das verweigerst, versagst du ihr sehr viel.«
    Welches Recht hatte Ruth, Jill eine Welt zu verbieten, für die sie vielleicht geboren war?
    »Ich kann es nicht ändern«, versetzte Ruth.
    Wie unwandelbar sie war, dachte er, wie eigensinnig in all ihrer Stärke! Er fühlte sich um Jills willen plötzlich verzweifelt.
    »Jill ist in diesem Hause geboren, und in diesem Hause wird sie bleiben, bis sie einen guten Mann findet«, sagte Ruth.
    »Und wenn sie nicht heiratet?« Seine Stimme war kalt.
    »Dann kann ich es nicht ändern. Wir werden alt, William.« Die Worte enthielten die Andeutung einer Bitte, doch ihr Ton hatte nichts Bittendes; er war fest in seiner Weigerung. »Es hat keinen Zweck, darüber zu reden, William.«
    Er faßte einen Entschluß. »Doch, es hat Zweck. Ja, wir wollen darüber reden, Ruth. Wir werden immer wieder darüber reden, bis du die Sache gleich ansiehst wie ich. Du mußt mich diesmal verstehen.«
    In der Nacht, als das Haus still war, versuchte er seine ehemalige Welt heraufzubeschwören, so daß Ruth sie begriff. Er fühlte, daß Jill in ihrem Zimmer wach lag.
    Nie

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