Eine Liebesehe
William zu schätzen, vor allem nachdem sie von Hal alle Tatsachen über Williams vermögende Familie erfahren hatte. Sie setzte William zu, er möchte sie doch besuchen. Sie wollte den Vater ihres lieben Mannes wie ihren eigenen aufnehmen. Paris hatte sich, seit er in seiner Jugend hier gewesen war, so sehr herausgemacht. Sie sehnte sich danach, ihm alles zu zeigen.
Diese Briefe übersetzte William seiner Frau nicht. Er las sie mit Belustigung. Sie waren fröhlich, selbstsüchtig, nicht immer richtig geschrieben. Er hatte ein sehr klares Bild von Hals französischem Frauchen, und als eine Photographie von Hal in Zivil kam, auf dem neben ihm ein kleines, dunkles, entschlossenes Geschöpf in gefälteltem Kleide stand, war er nicht überrascht. Er mußte Ruth darauf vorbereiten, dachte er, daß sie ihren Sohn vielleicht am besten nie mehr sah. Er wollte ihr das nicht in Worten sagen, sondern wollte versuchen, sie auf jede mögliche Weise glücklich zu machen, weil durch Hal ihr Glück zerstört war.
Wie konnte er sie verlassen, um in das alte Haus in Philadelphia zurückzukehren, auch wenn es galt, Jill dort zu treffen? Wäre sein Vater imstande gewesen, ihn zu erkennen, so hätte er es sich vielleicht dreimal überlegt, obzwar mit dem gleichen Ergebnis. Aber Louise, die ihm jetzt Tills wegen schrieb, warnte ihn, er solle nicht erwarten, daß der bejahrte Mann ihn erkennen würde. Er erkannte jetzt überhaupt niemanden mehr, nicht einmal seine Frau. Statt dessen waren diejenigen seine Gefährten, mit denen er schon immer wirklich gelebt hatte, die großen Maler der Vergangenheit. Er führte lange Murmelgespäche mit Corot und Tizian und stritt mit Velazquez über die Qualität einiger seiner Werke.
»Vater wird nicht merken, ob Du kommst oder nicht«, warnte Louise ihn.
Dann, dachte er traurig, kümmerte es seinen Vater jetzt auch nicht, ob ein Bild von William in seiner Galerie hing, und er wußte wohl ebensowenig, ob der Sohn seinen Rat befolgt hatte und fortgezogen war, um herauszufinden, was er malen mußte.
In einer Stimmung bitterer Selbstkritik betrachtete William alle seine Bilder. Jedes Jahr verkaufte er nach seiner Ausstellung in dem kleinen Freimaurersaal des Dorfes eine Anzahl, und Jahr um Jahr glaubte er, daß immer mehr Leute kämen, um zu schauen, was er geschaffen hatte. Aber er war als pennsylvanischer Landschaftsmaler bekannt, als weiter nichts, obwohl er bei jedem Bild, das er schuf, weitaus mehr zu gestalten versuchte. Wie sehr er die Amerikaner im stillen auch schmähen mochte, weil sie das Werk eines jeden Schöpferischen nach ihrem eigenen Maßstab einschätzten, die Tatsache blieb, daß er nicht gegen sie ankam. Was er zu lehren versucht hatte – daß eine Landschaft nicht geographisch, sondern geistig zu werten war –, das lernten sie nicht. Es bedeutete keine Befriedigung für ihn, wenn er als der beste Maler der pennsylvanischen Landschaft gelobt wurde. Voll Zorn aufsein eigenes Werk entschied er deswegen gegen seine Hoffnung, daß das einzige Bild, welches er immer als unverkäuflich bezeichnet hatte, sein erstes Bild von Ruth, das beste sei.
›Immer noch das beste‹, dachte er, und er wurde traurig, weil er es vor fünfunddreißig Jahren gemalt hatte. Es war schlimm, sich klarmachen zu müssen, daß seine beste Arbeit die erste gewesen sei. Warum sollte er da seinen Vater besuchen?
Als er vernahm, daß seine Mutter, die infolge eines Schlages leicht gelähmt, doch bei vollkommener geistiger Gesundheit war, sich immer noch sträubte, Ruth kennenzulernen, obwohl sie inzwischen mit Jill Bekanntschaft geschlossen hatte, da entschied er sich, sie nicht zu besuchen, wie alt sie auch sein mochte.
»Es fehlt dir doch nichts?« erkundigte sich Ruth. »Du bist so blaß.«
»Nein, mir fehlt nichts«, antwortete er.
Er hatte ihr nichts von all seinen Kämpfen und seiner durch Louises Brief hervorgerufenen Unschlüssigkeit gesagt. Er war nicht einmal sicher, ob er das sehr reiche und erfolgreiche Ehepaar Louise und Monty wiederzusehen wünschte. Sie ›taten alles‹ für Jill, aber er merkte, daß es ihnen Freude machte. Und sie nahm alles dankbar an, das wußte er. Ihre aufrichtigen, glückstrahlenden Briefe verrieten es ihm. Sie schrieb liebevoll über Louise, humorvoll über Monty, der jetzt ein Monokel und einen Spitzbart trug und ziemlich taub wurde, großmütig über ihre Großmutter und immer voll anhänglicher Liebe über Elise.
»Ich habe manchmal das sonderbare Gefühl, als
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