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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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ob sie meine Mutter wäre«, schrieb Jill.
    »Dein Kind ist jetzt mein Kind«, schrieb Elise. »Ich hege die seltsame Überzeugung, daß Don und Jill, wäre Don am Leben geblieben, sich irgendwie gefunden hätten. Sie empfinde es auch so. Ich bezweifle, daß sie jemals heiraten wird.«
    Er wurde von Sorge erfaßt, als er dies las, und schrieb einen langen, ausführlichen Brief an Jill, in dem er sie bat, sich nicht von Elise gegen eine Heirat beeinflussen zu lassen.
    »Die Ehe ist ein so tiefes Erlebnis«, schrieb er, »daß es mich betrüben würde, wenn du es versäumen würdest. Es kommt manchmal vor, daß zwei Menschen, die nicht zusammenpassen, eine Ehe eingehen, doch das Erlebnis ist trotzdem tief. Ich hätte es lieber, du würdest eine unglückliche Ehe führen als überhaupt nicht heiraten.«
    Sie antwortete: »Wenn ich heiraten möchte, werde ich es tun. Aber ich glaube, ich werde nie heiraten wollen – ich will versuchen, zur Metropolitan-Oper zu kommen. Erinnerst du dich noch an ›Genieße des Lebens …‹? Diese Arie studiere ich jetzt. Wenn ich sie eines Tages auf der Bühne singe, mußt du kommen und mich hören. Du hast mir versprochen, mit mir in die Oper zu gehen!«
    Aber die ganze Zeit war er unentschlossen, ob er seine Mutter noch einmal besuchen sollte. Wenn er hinfuhr, so war es das letztemal, das wußte er, und nur weil Jill wieder dort sein würde.
    Seine Mutter hatte Jill lieben gelernt. Elise schrieb ihm: »Deine Mutter verlangt nach Jill. Natürlich kann sie nicht in Philadelphia leben.«
    Der Tag wurde auf Anfang September festgesetzt, ehe die New Yorker Saison begann. Louise und Monty, Elise und Jill wollten mit dem Auto hinfahren. Es wäre ein leichtes gewesen, das Zusammentreffen zu bewerkstelligen. Toms Garage wurde von seinen beiden Söhnen geleitet, und sie fuhren nach Philadelphia und zurück, wie man früher ins nächste Dorf gefahren war. Wenn er hinwollte, nahm einer von Toms Jungen ihn einfach mit und brachte ihn wieder heim. Er schob die ganze Angelegenheit auf eine Weise auf, die er jetzt immer leichter fand.
    ›Ich muß nicht‹, dachte er. ›Ich bin noch nicht alt.‹
    Aber bei dem Leben mit Ruth, das sie nun allein in dem Hause führten, war es auch leicht, jeglichen entscheidenden Entschluß zu vermeiden. Sie machte das Leben so reich, wenn sie zufrieden war, und sein Weltall verdunkelte sich, wenn sie es nicht war. Er mochte sie nicht mehr allein lassen. Wenn er früher zu seinen Eltern fuhr, dann blieben immer noch die drei Kinder bei ihr. Jetzt würde sie nur einsam dasitzen und warten, während er fort war, und kehrte er zurück, was sollte er ihr dann sagen, wie ihr auf einmal all das erklären, was er nie erklärt hatte? Für Jill hatte er eine Lanze gebrochen und gesiegt, aber für ihn selbst schien sich das kaum zu lohnen. Er fürchtete sich nicht vor Ruth wie einst vor seiner Mutter, sagte er sich. Er liebte Ruth und wollte ihr Glück, weiter nichts. Und wenn er sie allein ließ, auch nur einen Tag lang, dann wäre sie unglücklich.
    Als der vierte September mit einem nieselnden Regen dämmerte, dünkte es ihn eine zu große Anstrengung, Ruth mitzuteilen, daß er heute fortreisen und sein ehemaliges Heim aufsuchen wolle. Nach all diesen Jahren!
    Er lag am frühen Morgen im Bett, beobachtete den Regen, lauschte dem feinen Tröpfeln aufs Schieferdach, und es schien ihm zwecklos, aufzustehen. Alles, was ihm etwas bedeutete, war hier im Hause. Ruth schlief noch.
    Er stützte sich behutsam auf einen Ellenbogen und betrachtete sie. Sie hatte einen gesunden Schlaf. Sie wachte nicht auf, und indes er sie betrachtete, strömte all das, was sie war, aus den kleinen Kanälen ihrer gemeinsamen Tage und Jahre in sein Wesen. Ihre Jugend hatte ihm gehört und auch ihre Reife. Er hatte sie nicht verwandelt, noch wünschte er sie verwandelt. Sie war vollkommen, ein Geschöpf, das seine Bestimmung erfüllt hatte. Die Frage, die ihn betraf, schob er beiseite.
    ›Ich war glücklich‹, dachte er.
    Glück war ein primitiver, einfacher Daseinszustand, ein Zustand des Körpers in erster Linie und des Geistes nur in der Freiheit. Nun, Ruth hatte ihm diese Freiheit gelassen, zu denken, sich Vorstellungen hinzugeben und zu träumen. Er hatte mit Ruth ein schönes Leben geführt. Wie viele Männer seines Alters, deren Kinder erwachsen und fortgegangen waren, deren Frau neben ihnen alt geworden, konnten den vor ihnen liegenden Jahren mit ruhiger Freude entgegensehen?
    War Ruth alt? Er

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