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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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sah kein Zeichen des Alters an ihr außer den beiden weißen Streifen im Haar. Ihr holdes schlafendes Antlitz war glatt – nicht jung, aber auch nicht alt. Ihre Haut war zart, ihre Lippen immer noch rot, ihre Zähne weiß und gesund.
    Er beugte sich näher zu dem schlafenden Gesicht und nahm den Duft ihres Körpers wahr. Er war frisch wie in ihrer Hochzeitsnacht.
    Er legte sich wieder zurück und fühlte sie warm und stark neben sich. Er schloß die Augen und hörte den Regen unablässig auf das Dach über seinem Kopf rieseln. Sein Haus, sein Heim – er hatte es sich zu eigen gemacht. Da erkannte er, daß er sie bis zu seinem Tode niemals verlassen würde.

Dritter Teil
    »William, ich habe dich in all den Jahren kaum jemals um etwas gebeten«, sagte Ruth.
    »Aber unsere goldene Hochzeit gehört doch uns, mein Liebling – oder etwa nicht?«
    William fügte die drei letzten Worte hinzu, indem er ihr rosiges, eigensinniges Gesicht anblickte.
    Sie saßen an einem Sommervormittag im Wohnzimmer. Ruth, nun eine alte Frau, war immer noch schön. Das weiche, lockige weiße Haar umrahmte ihr frisches Antlitz. Sie hatte genügend zugenommen, so daß sie von Altersrunzeln verschont geblieben war.
    William betrachtete sein eigenes hageres Gesicht jeden Morgen im Spiegel und gewahrte dann ein ganzes Netzwerk von Falten. Er sah zwanzig Jahre älter aus als sie.
    Sie hatte eine seiner braunen Socken über die Hand gezogen und stopfte ein Loch in der Ferse. Ihre blauen Augen waren so klar wie je, und sie trug keine Brille.
    Er fuhr fort, als sie nicht sprach: »Hochzeitstage gehören allerdings immer der Frau, vom ersten bis zum letzten.«
    Sie antwortete aus ihren eigenen Gedanken heraus, ohne seine Worte zu beachten: »Ich will alles gelb haben – Tischtuch und alles. Bis dahin wird es auch gelbe Rosen geben.«
    »Meinetwegen hab du alles gelb«, sagte er ungeduldig, »aber können wir nicht gelbe Sachen haben, ohne die ganze Gegend einzuladen?«
    »Die Nachbarschaft erwartet eine Einladung zur goldenen Hochzeit«, entgegnete sie. »Eine goldene Hochzeit ist etwas Ungewöhnliches.«
    Sie stopfte weiter, aber er sah plötzlich Tränen an ihren Wimpern hängen, und er beugte sich auf dem alten Sofa vor und ergriff ihre Hand mitsamt dem Strumpf. »Meine Liebes, wünschest du dir wirklich diese … diese Gesellschaft?«
    »Ich wünsche mir nicht einfach diese Gesellschaft, William – es ist unsere goldene Hochzeit.«
    »Aber Ruth, warum müssen wir denn unseren Hochzeitstag mit allen Nachbarn feiern?«
    »Darauf kann man stolz sein, William – eine goldene Hochzeit.«
    Er lachte, ließ ihre Hand los und erhob sich. »Na gut, Liebes. Ich ergebe mich! Ich will mich bemühen, es deinetwegen zu überstehen, Ruth.«
    »William, ich finde es nicht richtig, daß du über die Leute lachst. Sie blicken alle zu dir auf.«
    »Ich und sie auslachen? Ich versichere dir, der Gedanke ist mir überhaupt nicht gekommen.«
    Er stand vor ihr, ruhelos und unbestimmt gereizt, wie so oft in letzter Zeit. Vielleicht war dies das Alter, diese Unruhe, zum nächsten weiterzukommen, die Ungeduld dem gegenüber, was es so lange schon gab.
    »Ich glaube, ich gehe jetzt, Ruth.«
    »Willst du immer noch auf den Hügel? Trotz der Sonne?«
    »Die Sonne tut mir gut. Sie wird mich wärmen.«
    Sie musterte ihn sogleich ängstlich. »Frierst du denn, William?«
    »Nein, nein – mach meinetwegen keine Geschichten!«
    »Ich begreife nicht, warum du immer noch auf den Hügel klettern mußt«, sagte sie scharf. »Das ist nichts für dich.«
    »Ich kann es noch sehr gut«, versetzte er.
    »Nun, sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt«, rief sie ihm nach, als er hinausging.
    Das war echt William, dachte sie. Wenn ihm etwas nicht paßte, entfernte er sich einfach.
    Sie hob die Stimme: »William!«
    Draußen im Vorraum blieb er stehen. »Ja?« rief er zurück.
    »Du nimmst doch deinen Malkasten nicht mit!«
    »Vielleicht tu' ich's!«
    »Du würdest das schwere Ding besser nicht den Hügel hinaufschleppen – das ist nicht gut für dein Herz!«
    Er antwortete nicht darauf.
    Sie hörte, wie er in der Diele seinen Stock suchte, und sie widerstand dem Impuls, hinauszugehen und ihm zu helfen. Er tat jetzt immer so wenig selber – sollte er tun, was er konnte! Er bot sich nicht einmal an, das Geschirr abzuwaschen, und sie mußte ihn stets darum bitten. Neuerdings bat sie ihn darum, ihr zu helfen, was sie nie getan hatte, als die Mädchen noch im Hause waren. Nicht

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