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Eine Liebesehe

Titel: Eine Liebesehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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zu Mimis nicht allzu geheimem Kummer, und sie versuchte diesen Mangel dadurch auszugleichen, daß sie ihnen sehr schicke Kleider anfertigte. Da sie mit dieser Tätigkeit ziemlich viel Zeit verbrachte, wurde sie leicht zornig, wenn die Kleider beschmutzt oder zerrissen wurden, und die Mädchen nahmen sich dauernd in acht, um ihre Mutter nicht zu verstimmen. So kam es, daß sie sich sowenig wie möglich bewegten.
    Ein Flugzeug brummte über der Stadt, als die Familie am sonnigen Fenster beim Frühstück saß. Mimi zuckte innerlich zusammen. Nachdem die Deutschen Frankreich tatsächlich angegriffen hatten, konnte sie kein Flugzeug mehr hören, ohne Herzklopfen zu bekommen. Aber sie gestattete sich nicht, aufzustehen und hinauszusehen.
    Statt dessen sagte sie streng zu Germaine: »Paß auf, wie du den Honig nimmst, sonst bekleckerst du dich.«
    Das Mädchen hielt daraufhin in der Bewegung inne, und der Honig tropfte vom Löffel aufs Tischtuch.
    »O Himmel«, seufzte Mimi. »Ich wußte es ja, als ich den Honig ausnahmsweise erlaubte!«
    Sie sprang auf, um einen Lappen zu holen, und dabei warf sie einen Seitenblick aus dem Fenster. Gottlob, es war ein französisches Flugzeug! Aber sie empfand eine unerträgliche Unruhe. Sollte das eine Warnung sein? Am liebsten wäre sie aus dem Haus gelaufen, ins Freie, wo sie sehen konnte, was da kam.
    Sie eilte zum Tisch zurück; ihr dunkles Gesicht zeigte einen angespannten Ausdruck. Sie rieb das Tischtuch ab.
    »Ich wußte es gleich, als ich den Honig …«
    »Hör doch auf«, fiel Hal ein. »Was macht denn das aus?«
    Er sprach ein einfaches, ungeschliffenes Französisch, das seinen Bedürfnissen irgendwie genügte.
    Er gab Germaine ein Stückchen von seinem gebratenen Speck ab. Er erhielt zum Frühstück Spiegeleier und Speck, aber Mimi und die Mädchen nahmen nur Milchkaffee und Brötchen zu sich. Der Honig stellte eine besondere Zugabe dar, weil Hal zu Hause war. Germaine lächelte durch tränenerfüllte Augen und nahm das Stückchen Speck von ihrem Teller. Dann blickte sie ihre Mutter an.
    »Darf ich es essen, Mama?«
    »Gewiß, wenn Papa es dir so großzügig abgibt«, antwortete Mimi ernst. Sie setzte sich wieder. »Al!« Sie konnte seinen Namen nicht anders aussprechen.
    »He?« Er kratzte die Eierreste auf seinem Teller zusammen, ohne aufzuschauen.
    »Wir wollen heute zur Feier des Tages einen Ausflug machen, anstatt ins Theater zu gehen.«
    »Ich bin täglich draußen«, wandte er ein.
    »O ja, aber wir nicht! Und es ist heute noch immer so heiß, nicht wahr? Die Luft … stickig wie in einem Koffer ist sie! Denk doch nur, draußen … da können wir in einem Bach herumwaten und Blumen pflücken! Und der Himmel über uns … so klar!«
    Er sah seine Töchter an. »Was meint ihr, Kinder?«
    Sie blickten die Mutter an.
    »Ausflug«, flüsterte Angele.
    »Dann machen wir also einen Ausflug«, sagte Hal. Er schöpfte sich einen Löffel voll Honig. »Um das Ende zu versüßen«, lachte er und leckte den Löffel ab.
    Wer hätte diesen Tag voraussagen können? Die Vormittagsstunden verstrichen so schnell, so glückhaft. Das erstickende Gefühl, das Mimi bedrückt hatte, war verschwunden. Sie vergaß vorübergehend die Erinnerung an die über der Stadt und der Klosterkapelle kreisenden deutschen Flugzeuge, vergaß die ungestümen Gebete zu Gott, der über dem vom Bösen erfüllten Himmel wohnte.
    Sie nahmen das Mittagessen unter einem Baume ein, und danach schliefen sie ein Weilchen; dann wateten sie zusammen im Bach herum, und als Hal auf einem feuchten Stein ausrutschte und beinahe gefallen wäre, schrie Mimi vor Lachen, weil sein verdutztes rundes Gesicht so komisch war.
    »Teufel noch mal!« fluchte er auf englisch, wie stets, wenn er verwirrt war.
    Gerade wollte sie ihn lachend fragen, was er denn da vor sich hin knurrte, als etwas aus dem Himmel niedertauchte, schwarz wie ein wütender Vogel. Ach, sie hatte den ganzen Tag immer wieder hoch oben Flugzeuge brummen hören, aber so hoch flogen sie, daß sie gar nicht hingeschaut hatte. Sie wollte auch jetzt nicht schauen.
    Doch dann blickte sie hinauf, und ihr Lachen gefror. Über ihnen war das Hakenkreuz, schwarz gegen Silber und Blau.
    »O Al!« rief sie. »Sie kommen wieder!«
    Das war alles. Das war das Ende von ihrem und Hals Leben.
    Die beiden kleinen Mädchen, die wie Rebhühner gelaufen waren, entrannen um wenige Meter dem Wasser- und Erdvulkan. Barfuß, Hand in Hand standen sie reglos, während der junge Mann am

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