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Eine Luege ist nicht genug

Titel: Eine Luege ist nicht genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Gratz
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»Jedenfalls hast du recht. Und in der Zwischenzeit kannst du nur entkommen, wenn du schläfst – oder trinkst.«
    »Ich hasse den Schlaf«, sagte ich.
    Hamilton lachte. »Natürlich hasst du den!«
    »W as soll denn das schon wieder heißen?«
    Er beugte sich vor und zeigte mit seinem Glas auf mich. »Du kannst es nicht leiden, wenn du nicht das Heft in der Hand hast. Wenn du nicht alles siehst und hörst und machst. Aus dem Grund trinkst du auch nicht. Du willst nie die Kontrolle verlieren.«
    »Ich verstehe nicht, was daran falsch sein soll«, meinte ich.
    »Ab und zu ist es angenehm, sich mal gehen zu lassen, Horatio.« Hamilton lehnte sich in seinem Klubsessel zurück. »Einfach ausspannen und das Tempo drosseln.«
    »›Ab und zu mal‹ ist für dich zu ›die ganze Zeit‹ geworden, Hamilton. Und bevor du dir das Hirn wegsäufst, denk mal dran, dass da noch die kleine Angelegenheit mit dem Tod deines Dads zu klären ist.«
    Das war etwas unverblümter rausgekommen, als es sollte, aber ich war es leid, dass Olivia und jetzt Hamilton so einfach mein Ego freigelegt hatten. Mal ernsthaft, hatte ich denn auf der Stirn eintätowiert »Bitte analysiere mich«, oder so was?
    Ich ließ mich wieder ins Wasser gleiten, schwamm ein paar Runden und zog fest durch. Also, ich wollte die Kontrolle nicht verlieren. Und warum war das so schlecht? Warum war es eine Charakterschwäche, keinem anderen die Zügel übergeben zu wollen? Ich sagte mir, dass Hamilton nur ein weiterer Betrunkener war, der sich schuldig fühlte und auf jemandem mit mehr Willenskraft einschlug, und hörte auf, mir weiter darüber Gedanken zu machen.
    Als ich gerade zu einer neuen Runde ansetzen wollte, sah ich auf und erblickte rot lackierte Fußnägel, die aus einem Paar abgewetzter Birkenstocks herausragten. Mein Blick folgte den ausgefransten Jeans nach oben über eine hübschen Taille und verschränkte Arme bis zu einer roten Baseballkappe.
    »Olivia«, sagte ich als Gruß.
    »W assermann.«
    »W as?«, fragte Hamilton und rührte sich wieder. Er hatte sie in der Dunkelheit nicht um das Haus herumkommen sehen. »W as macht sie hier?«
    »Hamilton will wissen, warum du hier bist«, sagte ich, obwohl wir uns alle wunderbar hören konnten.
    »Nachtangeln«, sagte sie.
    »Sie sagt, wegen Nachtangeln«, berichtete ich Hamilton.
    »Ich kann sie hören«, sagte er.
    Ich stemmte mich aus dem Wasser und stand tropfend vor ihr. Jetzt konnte ich sehen, dass sie ein Taschenbuch bei sich hatte, in das sie einen Finger gesteckt hatte, um zu markieren, bis wohin sie gelesen hatte, den Titel konnte ich aber nicht erkennen. Sie musterte meinen halb nackten Körper kurz, dann ging sie zu dem Sessel neben Hamilton, warf mir ein Handtuch zu, setzte sich und schlug ihren Roman auf.
    »Aha«, sagte Hamilton. »W as machst du denn hier?«
    »Dein Onkel hat meinen Vater wegen irgendeiner geschäftlichen Sache angerufen. Ich war bei ihm im Auto. Da bin ich mitgekommen. Rätsel gelöst«, sagte sie und hob den Blick nicht von ihrem Buch.
    »Nein, was machst du hier draußen? Bei uns?«
    »Ich fand die Nacht so schön, genau richtig, weißt du, um am Pool rumzuhängen. Ich meine mich an ein paar Abende zu erinnern, da hab ich doch tatsächlich genau in diesem Sessel gesessen. Und wenn ich so darüber nachdenke, dann hast du in dem da gesessen, wenn du nicht zusammen mit mir in diesem hier warst.«
    Hamilton stand auf und entfernte sich ein paar Schritte. »Ich weiß nicht, was du hier machst, aber du kannst jetzt gehen.«
    »Nein danke.«
    Ich wusste nicht, welches Spiel Olivia da spielte, aber mit Sicherheit wollte sie Hamilton auf die Palme bringen.
    »Gute Nacht, Horatio.« Hamilton wollte gehen.
    »W arte, ich hab was für dich«, rief Olivia. Hamilton drehte sich um. Sein Blick war kalt und berechnend. Genau diesen Blick hatte ich schon einmal gesehen: direkt bevor er sein perfektes Spiel geschmissen und dem Werfer, der mich getroffen hatte, eins reingeknallt hatte.
    Olivia zog ein Päckchen mit Umschlägen, die mit einem Gummiband zusammengehalten waren, aus der Gesäßtasche und warf es auf den Klubsessel.
    »Einhundertsechsundsiebzig Gedichte, eins für jeden Tag, den wir nicht zusammen waren.«
    Hamilton vertiefte sich in seinen Drink, während er seine Antwort überlegte.
    »Die hab ich nicht geschrieben.«
    »Ach, wirklich? Zum Beispiel das über den Abend, den wir auf dem Fels verbracht haben? Oder das, das mich mit einem Bergfluss vergleicht? Natürlich

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