Eine Luege ist nicht genug
Angestellte? Ähm, sirvientes ?«
»Sí.«
»Sonst hat niemand für ihn gekocht? Seine Frau, Claude?«
Sie lächelte, als hätte ich einen Witz gemacht. »Nein.«
»Und alles, was er gegessen hat, ist direkt von der Küche auf den Tisch gekommen?«
Über diese Frage musste sie etwas länger nachdenken. »Sí« , entschied sie dann.
Natürlich gab es immer hier und da eine Ausnahme, aber Hamiltons Vater hatte in dem Video gesagt, dass er nach und nach über einen längeren Zeitraum vergiftet worden wäre. Das hieß aber, dass jemand regelmäßig Zugang zu dem gehabt haben musste, was er aß oder trank.
»W as war mit Alkohol? Hm … cervezas . Hat er viel getrunken?«
»Kein cervezas. Licor .«
»Schnaps? Wie Tequila?«
»Johnnie Walker Black Label. Unverdünnt.«
»Ah ja, richtig«, sagte ich mit einem verlegenen Grinsen. Das Blöde daran ist, wenn du mit jemandem sprichst, dessen Sprache du kaum kannst, klingst du wie ein Kind oder, schlimmer noch, wie ein herablassender Amerikaner, der Spanisch lernen musste, um seinen Abschluss zu bekommen. Ich wurde rot, aber an ihrem Lächeln sah ich, dass meine Bemühungen sie amüsierten, und nicht beleidigt hatten.
»Hat er so viel getrunken, wie sein Sohn es jetzt tut?«
Sie wirkte traurig. »Nein. Fast, aber Mr Hamilton trinkt zu viel diese Tage.«
» Sí . Das finde ich auch. Hat er allein getrunken? Nur für sich?«
»Meistens. Sí . Aber Mr Claude hat mitgetrunken.«
»Oft? Muchas veces ?«
» Sí . Jeden Freitagabend.« Sie zögerte. »Mucho entoxicado.«
Entoxicado stand auf keiner Vokabelliste, die ich auswendig gelernt hatte, doch ich konnte mir denken, dass es betrunken bedeutete. Sehr betrunken. Ich nickte. »Jeden Freitag?«
» Sí . Candy könnte uns Geschichten erzählen.«
»Candy? Wie bei Candy, dem Gaucho?«
Sie lachte hinter vorgehaltener Hand. »Sí« , sagte sie. »Er immer freiwillig bleibt spät, bedient Mr Prince und seinen Bruder.«
Klar hat er das getan.
» Muchas gracias, Catalina . Sie waren eine große Hilfe.«
» De nada , Mr Horatio.«
»Einfach Horatio. Danke.«
Catalina überließ mich meinen Gedanken, und ich legte los. Immerhin wollte ich dieses Sandwich ja immer noch.
Als ich die Treppe wieder nach oben ging, war es überraschend still. Hamilton war nicht in seinem Zimmer und die Wonder Twins hatten das Fernsehzimmer geräumt. Eine Weile stand ich da und überlegte, ob ich ein Baseballspiel auf dem großen Bildschirm spielen sollte, doch dann dachte ich, es wäre besser, stattdessen in mein Zimmer zu gehen und zu versuchen, die Dinge etwas zu sortieren. Ich hatte Hamilton für heute Abend Ergebnisse versprochen, und ich wollte dafür sorgen, dass ich auch welche vorzuweisen hatte.
Als ich in mein Zimmer kam, lag da ein kleiner Stapel sauberer Bettwäsche, was mir den ersten Hinweis darauf hätte geben sollen, dass irgendwas im Busch war. In diesem Haus sah man nie, dass irgendwelche Arbeiten erledigt wurden, nur das Endergebnis – eben wie Hauselfen, die kamen, wenn man weg war, und alles im Zimmer wieder richteten. Ich war blöd. Ich hätte auf das, was als Nächstes geschah, gefasst sein müssen, doch stattdessen latschte ich einfach rein wie ein Landei zwischen die Rockerbande.
Candy warf die Tür zu, hinter der er sich versteckt hatte, und versetzte mir einen unerwarteten Schlag in die Seite. Das tat schlimmer weh, als beim Baseball von einem Pitch getroffen zu werden, und ich klappte zusammen.
»Tonto schickt dir seine besten Grüße, du Trottel«, sagte Candy. Aus irgendeinem Grund war der mexikanische Akzent völlig verschwunden, doch in dem Moment war ich nicht unbedingt in dem Zustand, um ihn danach zu fragen. Er zog mich hoch, um mir noch einen Schlag auf dieselbe Stelle zu versetzen, und ich fiel auf die Knie. Mit einem der roten harten Cowboystiefel trat er mir ins Kreuz, und ich vergrub mein Gesicht im Teppich, wobei ich krampfhaft versuchte, mein Sandwich bei mir zu behalten.
»Können der Farmer und der Rinderzüchter nicht Freunde werden?«, fragte ich mit Mühe.
Ich erwartete einen weiteren Tritt, doch stattdessen wälzte er mich auf die Seite und fischte mein Handy aus meiner Hosentasche. Dann setzte er sich auf einen Polsterstuhl neben der Tür, während ich hustete und Tröpfchen auf dem Teppich verteilte.
»Lass bloß kein Blut auf den Teppich kommen«, sagte er zu mir, wieder ohne jeden Akzent. Am liebsten hätte ich einen großen Klumpen Blut und Schnodder nur aus reiner Gehässigkeit
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