Eine Meerjungfrau am Haken
genau wie es damals über unsere Vorfahren gelacht hat. Und wir werden wissen, dass auch das Wahrhafte Große Gesicht uns nichts Gutes wollte!“
„Okay, es reicht jetzt!“
Die Meermenschen verstummten augenblicklich und sahen Sabrina wie ein unartiges Kind an, das sich nicht in die Gespräche der Großen einmischen sollte. Sabrina war selbst etwas überrascht von ihrem scharfen Ton. „Also, ich habe keine Ahnung von euren Schriften, aber eins ist sicher: Wenn Mr. Kraft seinen Willen durchsetzt, dann seid ihr Geschichte. Er will nämlich dieses Aquarium ausräumen und darin Theaterspiele veranstalten. Wenn ihr also überleben wollt, müsst ihr mit mir zusammenarbeiten!“
Sie erntete zuerst nur leere Blicke, dann fingen alle gleichzeitig an zu reden.
„Unmöglich! Es gibt nichts hinter dem Harten Wasser, nur die Großen Gesichter. Der Rest der Welt wurde vor Jahrhunderten zerstört, als...“
„Wer ist dieser Kraft, über den sie spricht? Ich wüsste nicht, dass er in unseren Schriften erwähnt wird...“
„Du weißt nicht einmal, dass du Dritte Zähne hast. Wieso solltest du also wissen, was in den Schriften steht...?“
„Nun, es steht nirgends geschrieben, dass der Botschafter der Verdammnis Beine anstatt einer Schwanzflosse hat. Vielleicht ist sie wirklich nicht die Botschafterin. Ich brauche etwas Zeit, um das zu prüfen...“
„Die Frage, die sich uns stellt, ist doch: ,Bereiten wir uns auf das kommende Ende vor, obwohl sie ganz offensichtlich nicht Teil der Prophezeiung ist, oder betrachten wir sie als Teil der Prophezeiung, eben gerade weil sie ganz offensichtlich nicht den Schriften entspricht...?’“
Es war zum Haare ausreißen. Sabrina wollte die Meermenschen retten, doch das allgemeine Gezanke war so unerträglich, dass sie ihnen beinahe das Ende wünschte.
Ihre Armbanduhr klingelte. „Ich muss los!“, rief Sabrina, denn sie musste zurück in den Unterricht. Die Keftiu waren so in ihre Diskussion vertieft, dass sie Sabrina gar nicht mehr hörten.
„Also, ich bin dann weg!“ Sie zauberte sich wieder aus dem Aquarium. Ihre Gedanken kreisten immer noch um das eine Problem: Wie konnte man einen Haufen törichter Wesen retten, die nicht wahrhaben wollten, dass sie dringend Hilfe brauchten?
10. Kapitel
Sabrina grübelte während der ganzen Englischstunde: Wie kamen die Meermenschen in Mesmers Aquarium? Waren sie seine exotischen Haustiere? Waren sie seine Gefangenen? Das würde immerhin ihre Verbitterung erklären. Aber warum wussten sie nicht einmal, dass sie in einem Aquarium lebten?
Und warum war Mesmer einfach verschwunden, ohne für ihr Überleben zu sorgen? Sabrina wusste genau, wie launisch Hexen sein konnten. Doch trotz ihrer übernatürlichen Kräfte verhielten sie sich alles in allem immer sehr verantwortungsvoll.
Es war ihr ein Rätsel. Die letzten sieben Jahre hatten die Keftiu nur überlebt, weil jemand die Fische gefüttert, das Aquarium gesäubert und sich nicht darum gekümmert hatte, was sonst noch innerhalb des Beckens vor sich ging. Mit Mr. Kraft war das nun anders geworden. Und ausgerechnet Sabrina sollte ihm nun helfen, die Keftiu zu zerstören! Aber das werde ich nicht tun!, dachte sie entschlossen.
Ihre Mittagspause verbrachte sie im Wartungsgebäude. Sabrina hatte einen einfachen Plan. Sie wollte die Stadt der Keftiu mit Magie aus dem Becken heben, in einem Kübel nach Hause bringen und sie dort in einer Art Übergangsaquarium bis zum Schulschluss verstecken. Zelda und Hilda würden die Situation bestimmt verstehen und ihr behilflich sein.
Sabrina richtete ihren magischen Finger auf das Aquarium.
Nichts geschah.
Sie versuchte es ein zweites Mal. Ein greller Funke zischte um das Fundament der Stadt, sprang von dort direkt auf Sabrinas Fingerspitze und durchdrang dann ihren ganzen Körper. Das tat weh.
„Die Stadt wird von Zauberkraft an Ort und Stelle gehalten!“ Sabrina war überrascht. So etwas hatte sie schon einmal gesehen, und zwar als Hilda Zeldas Pralinen stibitzen wollte. Da Zelda sie jedoch festgezaubert hatte, handelte sich Hilda einen heftig schmerzenden Finger ein.
Trotz allem versuchte Sabrina es noch einmal. Ohne Erfolg. Ihr Finger tat von den vielen magischen Funken schon schrecklich weh.
Schließlich versuchte sie es auf die sterbliche Art, mit roher Gewalt. Aber auch das zeigte keinen Erfolg. Mesmer wollte offenbar, dass die Keftiu blieben, wo sie waren, was wiederum bedeutete, dass Mr. Kraft das Aquarium auf keinen Fall behalten
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