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Eine Messe für all die Toten

Eine Messe für all die Toten

Titel: Eine Messe für all die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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à la Samuel Pepys war
leider nicht ihre Sache», sagte der Superintendent. «Hier und da mal eine
Notiz, aber nichts, was uns weiterhelfen würde, soweit ich sehe.»
    Mrs. Brenda Josephs hatte beide Jahre mit den
besten Vorsätzen begonnen. Die ersten Januartage waren ziemlich ausführlich
dokumentiert. Aber auch Vermerke wie «Sechs Fischstäbchen» oder
«Schwesternabend 20.30» brachten sie der Ergreifung ihres Mörders nicht viel
näher. Mit säuerlicher Miene und einigermaßen ziellos blätterte Morse herum. Am
Tag von Brendas Tod las er die Eintragung: Periode fällig. Rührend, aber
bedeutungslos.
    Lewis, der fand, daß er bei diesem Besuch bisher
eine wenig konstruktive Rolle gespielt hatte, griff nach dem Kalender vom
vergangenen Jahr und sah ihn in seiner gewohnt supergründlichen Art durch. Die
Schrift war klar und deutlich, aber meist so klein, daß er das Büchlein auf
Armeslänge von sich abhalten und mit zusammengekniffenen Augen anpeilen mußte.
Praktisch an allen Sonntagen bis Mitte September waren die Buchstaben SF
eingetragen. Die gleiche Abkürzung tauchte in diesem Zeitraum auch in der Woche
in unregelmäßigen Abständen auf. Bei SF fiel Lewis zunächst nur Science Fiction
ein, aber das war vermutlich abwegig. Außerdem erschienen von Juli bis
September mit Bleistift geschriebene Ps, kaum zu erkennen auf der blauen
Trennlinie zwischen den Wochentagen. Und zwar immer am Mittwoch.
    «Was heißt SF, Sir?»
    «St. Frideswide’s», antwortete Morse wie aus der
Pistole geschossen.
    Natürlich, das mußte es sein. Lewis fiel jetzt
ein, daß Harry Josephs den Führerschein losgeworden war und daß ihn deshalb
seine Frau immer zur Kirche gebracht hatte. Das kam hin. Sonntagvormittag zur
Messe, dazwischen an den Wochentagen zu Heiligenfesten, Feiertagen und
dergleichen.
    «Und was bedeutet das P, Sir?»
    Morse spulte die Vorschläge ab wie jemand, der
allzu viele Stunden seines Lebens damit verbracht hat, Kreuzworträtsel zu
lösen. «Präsident, Prinz, Paginierung, Partizip...»
    «Sonst nichts?»
    «Phosphor.»
    Lewis schüttelte den Kopf. «Wahrscheinlich der
Anfangsbuchstabe eines Namens. Es ist ein großes P.»
    «Zeigen Sie mal her, Lewis.»
    «Könnte es Paul sein, Sir? Paul Morris.»
    «Oder Peter, wenn sie pädophil war.»
    «Wie meinen Sie?»
    «Schon gut.»
    «Und immer am Mittwoch, Sir. Vielleicht wollte
sie plötzlich öfter mit ihm zusammen sein...»
    «Und dabei war ihr der Alte im Wege, und sie hat
ihn umgebracht.»
    «So unsinnig ist das gar nicht. Sie hat
ausgesagt, daß sie an dem Abend im Kino war, nicht?»
    «Hm.» Endlich schien Morses Interesse geweckt.
«Wieviel muß man heutzutage für einen Kinobesuch anlegen?»
    «Keine Ahnung. Ein Pfund? Eins fünfzig?»
    «Teurer Film, wie? Sie kann höchstens eine
Stunde dringewesen sein.»
    «Wenn sie überhaupt hingegangen ist. Ich meine,
sie war vielleicht gar nicht im Kino, sondern hat sich heimlich wieder in die
Kirche geschlichen und —»
    Morse nickte. «Wahrscheinlich hatte sie von
allen das überzeugendste Motiv. Aber Sie haben etwas vergessen. Die
Kirchentüren knarren wie verrückt.»
    «Nur die am Nordportal.»
    «Ach ja?» Morse interessierte sich offenbar
nicht mehr für knarrende Türen, und Lewis fragte sich nicht zum erstenmal,
weshalb sie eigentlich hergekommen waren. Sie hatten nichts erfahren, waren
keinen Schritt weitergekommen.
    «Es gibt noch ein P», sagte Morse plötzlich.
«Wir haben Philip Lawson vergessen.»
    Der Constable steckte Brenda Josephs’
Habseligkeiten wieder in die Plastiktüten, die er in einem mit Schildchen
versehenen Schrank verwahrte. Morse bedankte sich bei dem Superintendenten für
die Unterstützung, schüttelte ihm die Hand und setzte sich neben Lewis in den
Wagen.
    Auf der Straße nach Kidderminster, etwa sechs
oder sieben Meilen südlich von Shrewsbury, meldete sich das vertraute Kribbeln.
«Sagten Sie, daß Brenda Josephs notiert hat, wann sie ihren Mann zur Kirche
brachte?»
    «Sieht so aus, Sir. Und oft nicht nur sonntags.»
    «SF hat sie hingeschrieben, sagten Sie?»
    «Ja. Könnte St. Frideswide’s heißen, ganz wie
Sie sagen. Scheint ziemlich klar zu sein.» Er sah rasch zur Seite. Morse
starrte angespannt in die Dunkelheit hinaus. «Oder meinen Sie, es heißt was
anderes?»
    «Nein, es heißt nichts anderes. Wenden Sie, wir
fahren zurück.»
    Die Leuchtziffern der Uhr zeigten auf halb elf.
Sogar nach der pessimistischsten Schätzung waren sie mit ihrem Zeitplan weit im
Rückstand.

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