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Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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vorbildlicher Christ. Und dennoch. Ich sah es direkt vor mir, wie ich da so in Gent ankomme, die Pferde unterwegs zuschanden geritten; wie ich die bischöflichen Gemächer betrete, staub- und schweißbedeckt, das Gesicht vom Herbstwind rauh gerötet. David begrüßt mich gnädig:
    »Gelobt sei der Höchste, daß du da bist, Jean! Ich gehe morgen auf die Jagd, du wirst mich begleiten…« – »Euer Herrlichkeit«, sage ich, »ich bin ein Abgesandter der Stadt Arras. Die Leute dort bitten dich demütig um deinen Besuch; denn sie fürchten die göttliche Strafe. Herr Albert hat einen Juden namens Celus in den Tod gehetzt…« – »Einen Juden, sagst du?« David lacht. »Und wegen eines einzigen Juden soll ich mich nach Arras aufmachen?« – »Nicht seinetwegen, Euer Herrlichkeit, sondern wegen der Bürger dieser unglücklichen Stadt!« – »Und was kann ich der Stadt raten, wenn sie den Schluckauf hat… Mir steht nicht der Sinn danach, mit Albert um irgendeinen jüdischen Kadaver zu rechten. Gott hat’s gegeben, Gott hat’s genommen! Und du, Jean, hör auf, dir Sorgen zu machen. Ich hab eine Dirne aus Speyer; sie ist zauberhaft, ich geb sie dir auf zwei Nächte…« – »Euer Herrlichkeit«, sage ich verzweifelt, »das Volk in der Stadt ist erregt. Ich befürchte Tumulte. Euer Herrlichkeit weiß, wie leicht es in unseren schweren Zeiten ist, die Leidenschaften zu entfachen. Noch sind die Wunden nach dem grauenvollen Kannibalismus der vergangenen Jahre nicht vernarbt. Kaum daß sich die Stadt aus der Tiefe zu erheben beginnt, da…« David hebt die Hand zum Gesicht, als wolle er eine lästige Fliege verjagen. Ich schweige. Jetzt sagt er: »Pax! Pax! Worum ging es mit diesem Juden?« – »Ein Mann hat ausgesagt, der Jude Celus habe Verwünschungen auf das Haus eines Tuchmachers geworfen, und dem Tuchmacher ist ein reinrassiges Pferd eingegangen. Das Pferd war gesund und sollte mit seinem Herrn eine Reise tun, als es plötzlich mitten in der Nacht auf Grund des Judenfluches im Stall verreckte…« – »Und was für eine Farbe hatte es?« fragt David und lacht. »Das weiß ich nicht, Euer Herrlichkeit.« – »Na, wenn es braun war, dann war’s nicht schade drum…« – »Euer Herrlichkeit! Ich spreche die Wahrheit! Die Stadt ist aufgebracht…« – »Du langweilst mich, Jean. Wenn es ihnen um Buße zu tun ist, sollen sie sich peitschen. Sag in Arras, der Bischof befehle eine Prozession und ein zehntägiges Fasten. Vaterchen Albert ist auf seine Weise viel ärgerlicher für mich. Für ihn ist die Rechnung einfach: ein Pferd, ein Jude! Aber mit Gott zu rechnen, das ist schon meine Angelegenheit! Was aber soll ich Gott sagen? Und woher will ich wissen, ob es nach Gottes Meinung recht war, den Juden zu beseitigen? Vielleicht einen Juden, vielleicht zwei, vielleicht aber auch nur einen halben… Ich hab keine Ahnung, wieviel ein Pferd in den himmlischen Ställen wert ist!«
    Ja, herzlich wenig würde ich in Gent ausgerichtet haben. So hieß ich die Leute nach Hause gehen und bis zum nächsten Morgen warten. Ich aber machte mich auf, um mit Albert zu sprechen.
    Albert empfing mich eisig wie immer, wenn er eine Auseinandersetzung erwartete. Nie hatte er sich von der Überzeugung frei machen können, daß ich, obschon sein Schüler, zu den Fremden, zu der riesigen Welt außerhalb der Stadtmauern von Arras gehörte. Selbst noch nach vielen Jahren, in denen ich immerhin zahlreiche Beweise meiner Loyalität und einer fast kindlichen Anhänglichkeit erbracht hatte, entdeckte er bei jeder Gelegenheit irgendeine Verwandtschaft mit David, oder – was schlimmer war – mit Chastell, den er von ganzer Seele haßte. Wie viele Male hatte er mir mangelnden christlichen Eifer vorgeworfen, was er den verderblichen Einflüssen Gents zur Last legte. Wie viele Male hatte er mit Bitterkeit wiederholt: »Dir, mein lieber Jean, scheint es, daß man vor allem dem Verstand Ehre erweisen muß. Und du glaubst, daß deine Genter Mentoren, mit David an der Spitze, eben das tun. Dabei geht es, allem Anschein zum Trotz, nicht um den Verstand, sondern um die Natur. Seine Denkfähigkeit übt David im Bett. Er meint, er sei stark, weil er an nichts glaubt… Wie töricht das ist, Jean!«
    Auch wenn er das nicht so geradeheraus sagte, hegte Albert doch stets den Verdacht, daß ich dem bischöflichen Hof näherstand, als das tatsächlich der Fall war. Er war der Meinung, David leihe meinen Ratschlägen sein Ohr. Dabei war ich für David nichts

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