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Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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Aber…«
    »Celus, man hat uns davon in Kenntnis gesetzt, daß du dich geweigert hast, Herrn de Saxe zu empfangen, wie es der Brauch befiehlt.«
    »Euer Wohlgeboren, Herr Farias de Saxe wird bezeugen, daß ich ihn stets mit der gebührenden Demut gegrüßt habe. Herr de Saxe kam selbdritt mit einem Windspiel und einem Pointer, und niemals habe ich seine Rechte angetastet.«
    »Aber du hältst diese Rechte nicht für billig.«
    »Nicht an mir ist es, darüber zu befinden, was billig und was nicht billig ist in der Stadt Arras…«
    »Soll das heißen, daß dir die Stadt gleichgültig ist?«
    »Das habe ich nicht gesagt, Euer Wohlgeboren.«
    »Aber gedacht hast du’s, Celus.«
    »Mit Verlaub, woher kennen Euer Wohlgeboren meine Gedanken?«
    »Du bist nicht hier, um Fragen zu stellen, sondern um zu antworten.«
    Und so ging es bis zum späten Abend. Celus tat mir leid, obschon er ein Jude war, aber ich mischte mich nicht ein. Die Aussage des Seilers nahm man als Beweis, was von Anfang an selbstverständlich gewesen war.
    In derselben Nacht erhängte sich der Jude Celus im Keller des Rathauses. Herr de Saxe besaß die Kühnheit, Albert zu benachrichtigen:
    »Vater, das Blut dieses Juden kommt auf dein Gewissen!«
    Worauf Albert hochfahrend erwiderte:
    »Du sprichst von etwas, was du selber nicht hast und kennst.«
    Farias de Saxe knurrte mir zu, als er den Ratssaal verließ:
    »Solche wie der da sind immer die Schlimmsten. Sie morden sündlos.«
    Wie ich gehört habe, betrank sich Herr de Saxe an diesem Tage ganz mächtig. Es war einer der wenigen Tage seines Lebens, an denen er sich nicht gelangweilt hat.
    Aber nicht das Besäufnis Herrn de Saxes rief die angespannte Lage in der Stadt hervor.

I M N AMEN DES V ATERS UND DES S OHNES UND DES H EILIGEN G EISTES. A MEN . Eure Meinung über die Bürger von Arras mag heute voller Widerwillen, ja schlechtweg voller Abscheu sein. Denn: allerdings haben sie sich in Dinge eingelassen, die die Welt noch nicht gesehen. Doch so war es nun einmal des Schicksals Fügung. Ich habe diese Menschen gekannt. Sie waren nicht schlecht, ganz bestimmt nicht schlechter als die anderen Bewohner Brabants und des gesamten Herzogtums.
    Arras hat zwar nicht allzu viele heiligmäßige Männer und tugendhafte Frauen hervorgebracht; es gab viel Mißgunst, Unflat, Schweinerei, so manch ein Haderlump hatte sich ein warmes Nest innerhalb der Mauern der Stadt gebaut, aber an jenem Abend, als der Tod des Juden Celus laut wurde, bekannten sich fast alle Bürger als des Mordes mitschuldig. Ach, ich will hier nicht anführen, daß sie die Juden und ihre roten Flicken auf den Oberröcken gemocht, daß sie in der dichten Menge der Jahrmarktstage ohne Widerwillen ihren Arm gestreift oder dem Wort eines Juden getraut hätten. Alle Bürger begriffen wohl, daß die Juden ein fremdes Element sind und daß Gott eine Stadt auf eine schwere Probe stellt, wenn er sie zum Zusammenleben mit den Henkern unsres Herrn Jesus Christus verurteilt. Aber eben darum, weil die Bürger von Arras rechtschaffene Christen waren und sich in das himmlische Urteil schickten, bildeten sie gemeinsam die Erdkrume, in der der jüdische Same aufkeimen konnte.
    Ich für mein Teil erfreute mich in Arras keiner besonderen Sympathie, soviel stand fest! Ich war ein Zugewanderter, aus einem anderen Land, war Auge und Ohr des Utrechter Hofes, also machte man einen Bogen um mein Haus, weil man mir eben nicht traute. Nichtsdestotrotz kam man an jenem Abend ausgerechnet zu mir, in Tränen aufgelöst und laut klagend:
    »Der Jude Celus hat sich im Rathaus erhängt«, riefen sie voller Herzeleid. »Herr Albert hat unrecht an ihm gehandelt… Wehe uns, denn Gott vergibt solche schandbaren Sünden nicht!«
    »Was soll ich tun?« fragte ich sie.
    »Geh zu Bischof David, der dein Freund ist, und bitte ihn, daß er in seine treue Stadt Arras komme. Ohne seine Anwesenheit trifft uns alle ein Unheil. Wir wollen das unschuldige Blut abwaschen, das über die Bürger von Arras gekommen ist. Möge uns der Bischof sagen, was wir tun müssen…«
    Was sollte ich ihnen antworten? Es dünkte mich einfach lächerlich, nach Utrecht oder Gent zu reisen, mich vor David hinzustellen und ihn um seinen Besuch zu bitten. Indes ich von der Höhe meines Hauses herab auf diese kummervolle Bürgerschar blickte, malte ich mir Davids Grinsen aus, während ich ihm die Bitte seiner Herde vortrage.
    Meine Herren! Ihr kennt den Fürsten besser als ich. Er ist ein bedeutender Mann und

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