Eine Minute der Menschheit.
Asymmetrie der »Einen Minute« - also die Tatsache, daß in ihr ungleich mehr des schändlichen Bösen des Menschen und der armseligen Häßlichkeit unserer Existenz wiedergegeben ist als der Symptome des Guten und Schönen unseres Seins — würde ich weder den Absichten der Autoren noch ihrer Methode zuschreiben. Das Buch kann nur auf jene deprimierend wirken, die über den Menschen noch verschiedene Illusionen hegen. Die Asymmetrie des Guten und Bösen könnte sich sogar in einer Zusammenstellung von Zahlen erfassen lassen — worauf die Johnsons nicht gekommen sind. Jene Teile des Buches, die sich mit dem Laster, dem Verbrechen, dem Betrug, dem Diebstahl, dem Erschwindeln, der Erpressung befassen, einschließlich der neuesten Formen der Kriminalität, die wir Computerverbrechen nennen (es handelt sich um eine solche Manipulation dieser elektronischen Verlängerung der Geistesarbeiten, die den Programmierern widerrechtlich Gewinne bringt; in der letzten Zeit ist diese Kategorie um Handlungen bereichert worden, die man, nach dem Prinzip »nullum crimen sine lege«, vorläufig nicht als Straftaten bezeichnen kann — kein Verbrecher ist somit jemand, der die ungeheure Rechenkapazität der Computer mißbraucht, um die eigenen Gewinnchancen in der Lotterie oder im Hasardspiel zu mehren: Einige Mathematiker haben nachgewiesen, daß man beim Roulettespiel die Bank sprengen kann, indem man die Bewegung der Kugel auf dem Roulettetisch analysiert, da keine Roulette eine ideale Verlosungs-Einrichtung ist, sondern Abweichungen von der theoretischen Erwartung der mathematischen Ergebnisse aufweist, was man mit Hilfe von Computern feststellen und ausnutzen kann), sind viel umfangreicher als die Kapitel, die sich mit »Samariter«-Taten befassen. Die Autoren haben die diesbezüglichen Zahlen nicht in einer Tabelle zusammengestellt, und das ist schade. Es würde eindeutig zeigen, wie vielgestaltiger das Böse ist als das Gute. Es gibt weniger Methoden, um anderen Menschen zu helfen, als um ihnen zu schaden — denn so ist die Natur der Dinge, nicht die statistische Methode. Unsere Welt steht nicht auf halbem Wege zwischen Hölle und Himmel, sie scheint jener viel näher zu sein. Da ich mich jedoch diesbezüglich schon seit langem keinen Illusionen hingebe, habe ich das Buch nicht als anstößig empfunden.
Berlin 1982
II
Die zweite Auflage von »Eine Minute der Menschheit« hat der Herausgeber um eine Reihe neuer Kapitel erweitert, und schon aus diesem Grunde ist eine neue Besprechung fällig.
Das Buch beginnt jetzt mit dem Bild der Welt als Heimstätte der Menschen: Daten dieser Art kann man in Mengen in jeder Enzyklopädie finden, aber, zugegeben, pro Minute umgerechnet sind sie viel eindrucksvoller als die trockenen, abstrakten Angaben eines Lexikons. Es ist eigentlich sonderbar, sich vorzustellen, daß auf der Erde immer irgendwo Gewitter toben und die Zahl der einschlagenden Blitze konstant ist: 6000 pro Minute. In jeder Sekunde schlagen 100 Blitze ein, und das geht so in einem fort, Monat für Monat, Jahrhundert für Jahrhundert. Aus der neuen Auflage können wir auch erfahren, daß die Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne in einer Minute 1800 Kilometer durchmißt, daß das Gesamtgewicht des kosmischen »Mülls und Schuttes«, der in derselben, so kurzen Zeitspanne auf ihre Oberfläche fällt, Tausende Tonnen ausmacht— daß aber gleichzeitig unser Planet beträchtliche Mengen seiner Atmosphäre verliert, die, aufgewühlt durch das Auf und Ab der Hochs und Tiefs, durch Zyklone und Passate, a,uch von der Sonne erwärmt, einen eigenartigen »Gasschweif« bildet, den die Erde Tausende Meilen weit hinter sich herzieht und der stellenweise abreißt, was eben die enormen Verluste von Gas bewirkt. Zugleich steigen jedoch aus den Tiefen der Erde ununterbrochen neue Gase auf, auch die Ozeane dünsten sie aus, teilweise als Wasserdampf, usw. usf. Das Buch hat somit eine Einleitung in populärwissenschaftlichem Geist erhalten. Die dort zusammengestellten Zahlen zeigen einerseits die ungeheure Größe unseres Planeten im Verhältnis zu seinen Bewohnern, und andererseits seine geradezu unheimliche Winzigkeit gegenüber dem Kosmos. All dies stellt jedoch, wie schon gesagt, einen mit benediktinischem Fleiß erarbeiteten Extrakt aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Lehrbüchern dar.
Einige der schon in der ersten Auflage speziellen Themen gewidmete Kapitel haben die Autoren um neue Daten bereichert, die einen bald
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