Eine mörderische Hoch-zeit
neben einer aus Kühlschubfächern bestehenden Wand. Bestimmt waren fast alle Schubladen belegt. Im Sommer wurde besonders viel gestorben.
»Lieutenant Dallas.«
»Genau. Sie haben jemanden für mich.«
»Kam gerade erst rein.« Mit der unbekümmerten Fröhlichkeit der Leute seiner Profession trat er an ein Schubfach und drückte ein paar Knöpfe. Schlösser sprangen auf, die Kühlung schaltete sich ab und die Lade glitt mitsamt ihrem Bewohner lautlos in den Raum. »Die Beamten am Fundort haben in ihm einen von Ihren Jungs erkannt.«
»Ja.« Eve atmete flach ein und wieder aus. Tote, Ermordete zu sehen, war für sie nichts Neues. Sie war sich nicht sicher, ob sie hätte erklären können, weshalb es für sie weniger persönlich und somit leichter war, wenn sie eine Leiche direkt am Tatort fand. Hier, in der reinlichen, beinahe jungfräulichen Umgebung des Leichenschauhauses hingegen erschien ihr die Begutachtung der Toten irgendwie obszön.
»Johannsen, Carter. Spitzname Boomer. Letzter bekannter Wohnsitz eine Absteige in Beacon. Kleiner Dieb, pathologischer Lügner, gelegentlich als Drogendealer tätig und generell eine jämmerliche Erscheinung.« Seufzend blickte sie auf das, was von ihm übrig war. »Ach, verdammt, Boomer, was haben sie mit dir gemacht?«
»Stumpfer Gegenstand«, sagte der Pathologe, der die Frage ernst nahm. »Wahrscheinlich ein Rohr oder ein dünner Knüppel. Wir sind mit den Untersuchungen noch nicht ganz durch. Aber es hat ganz schön Kraft hinter den Schlägen gesteckt. Hat höchstens ein paar Stunden im Wasser gelegen; die Quetschungen und Schnittwunden sind noch deutlich zu erkennen.«
Eve ließ ihn einfach weiterquasseln. Schließlich sah sie mit eigenen Augen, was geschehen war.
Er war nie besonders hübsch gewesen, aber jetzt war von seinem Gesicht kaum noch etwas übrig. Die Nase war vollkommen eingedrückt und der Mund vor lauter Schwellungen und blauen Flecken kaum noch zu erkennen. Die violetten Flecken an der Kehle wiesen ebenso wie die geplatzten Adern in den fleckigen Überresten seiner Wangen auf Erwürgen hin.
Sein Torso war bläulich verfärbt und so wie er dalag, ging sie davon aus, dass sein Arm mehrfach gebrochen worden war. Der fehlende Finger an der linken Hand war eine alte Kriegsverletzung, auf die er, wie sie sich entsann, eher stolz gewesen war.
Der arme, jämmerliche Boomer war von jemand Starkem, Zornigem, Entschlossenem so übel zugerichtet worden.
Und, während der kurzen Zeit im Wasser, auch noch von den Fischen.
»Sie können also bestätigen, dass es sich bei der Leiche um die Person handelt, als die sie nach Abnahme der verbliebenen Fingerabdrücke identifiziert wurde?«
»Ja. Schicken Sie mir eine Kopie des Obduktionsberichts.« Eve machte kehrt und wandte sich zum Gehen. »Übrigens, welcher Beamte oder welche Beamtin hat Ihnen gesagt, dass Sie mich anrufen sollen?«
Der Pathologe zog sein Notebook aus der Tasche und drückte ein paar Tasten. »Peabody, Delia.«
»Peabody.« Zum ersten Mal an diesem Morgen zeigte Eve ein leises Lächeln. »Sie ist einfach überall, wo etwas los ist. Falls irgendwer nach Boomer fragt, möchte ich, dass Sie mir umgehend Bescheid geben.«
Auf dem Weg in die Zentrale wählte Eve Peabodys Nummer und sofort tauchte das ruhige, ernste Gesicht der Streifenpolizistin auf dem Bildschirm auf. »Hier ist Dallas.«
»Ja, Lieutenant.«
»Sie haben Johannsen gefunden.«
»Madam. Ich fülle gerade den Bericht aus und schicke Ihnen gerne eine Kopie.«
»Das wäre nett. Woran haben Sie ihn erkannt?«
»Ich hatte ein Identifikationsgerät in meiner Tasche, Madam, und habe seine Fingerabdrücke damit überprüft. Die Finger waren stark beschädigt, sodass ich nur Teilabdrücke nehmen konnte, aber die Identifizierung ergab, dass es Johannsen war. Ich hatte gehört, dass er einer Ihrer Jungs gewesen ist.«
»Das ist richtig. Gute Arbeit, Peabody.«
»Danke, Madam.«
»Peabody, hätten Sie Interesse, sich an den Ermittlungen in dieser Sache zu beteiligen?«
Peabody verlor gerade lange genug die Beherrschung, als dass ihre Augen blitzten. »O ja, Madam. Werden Sie sie leiten?«
»Wie gesagt, es war einer meiner Jungs«, kam die schlichte Antwort. »Ich werde die Erlaubnis einholen, dass Sie mir assistieren. Kommen Sie bitte um eins zu mir in mein Büro.«
»Sehr wohl, Madam. Danke, Madam.«
»Dallas«, murmelte Eve. »Nennen Sie mich einfach Dallas.« Doch Peabody hatte die Leitung bereits unterbrochen.
Eve sah
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