Eine mörderische Karriere
wie ein Kleinkind zu behandeln. Ich bin fünfunddreißig Jahre alt, und wie seltsam es auch scheinen mag, ich kann mit der Tatsache umgehen, daß jemand schon mal verheiratet war.«
»Du hast recht. Tut mir leid. Ich wollte dich nicht wie ein Kind behandeln. Es ist nur... ach, verdammt.«
Sie griff nach ihrer Handtasche, holte einen Füller, einen Notizblock und ihren Terminkalender heraus, blätterte die Adressen durch und schrieb Arielas auf den Block. »Hier sind ihre Adresse und Telefonnummer. Sie schreibt Lyrik. Meist arbeitet sie zu Hause, es sei denn, sie ist zu Lesungen unterwegs. Du solltest mit ihr reden. Frag sie nach Simon, nach Georgia und nach ihr selbst. Sieh zu, was du daraus machst.«
»Ich verstehe dich nicht, Pat«, sagte Jane. »Aber wenn du meinst, daß ein Gespräch mit Ariela hilfreich ist, werde ich’s tun. Kann ich sagen, daß du mir ihren Namen gegeben hast?«
»Sicher, aber tu mir den Gefallen und sag ihr, daß ich dir nichts erzählt habe. Eine Zeitlang war ich Arielas Vertraute, große Schwester oder was immer, verstehst du? Sie gehört zu den Menschen, die gern andere verehren, und ich ziehe solche Leute an. Sie hat mir alle ihre Geheimnisse erzählt. Und sie hat sich darauf verlassen, daß ich nichts weitererzähle, deshalb soll sie wissen, daß ich mich daran gehalten habe. Natürlich erscheint sie bei uns, und für eine Lyrikerin verkauft sie sich recht gut. Du wirst verstehen, aus welchem Grund, wenn du sie triffst — sehr gut für die Promotion, eine ziemliche Sexbombe. Als ihre frühere Freundin und jetzige Lektorin möchte ich sie nur wissen lassen, daß ich nicht getratscht habe. Okay?«
Jane nickte. Sie half Pat dabei, sich für ein Kleid zu entscheiden, das am wenigsten miese von einer miesen Auswahl, wie Pat sagte, und sie gingen zusammen nach draußen. Es war noch hell. Sie schlenderten zur Yorkville , um in einem Straßencafé Kaffee zu trinken. Im Gehen unterhielten sie sich über andere Dinge: Kleidung, Diäten, Streß im Job und das Wetter. Und die ganze Zeit rätselte Jane über Pats Verhalten nach. Warum war Pat einmal so nervös und verschlossen, ein andermal so hilfsbereit und doch so wenig hilfreich? Weshalb tat sie so besorgt und beschützerhaft ihr gegenüber? Als wäre Jane ein Kind, das im Begriff stand herauszufinden, daß der Weihnachtsmann nicht existierte. Es ergab keinen Sinn.
Jane mußte zum Gericht . Die mündliche Verhandlung zu ihrem Antrag auf gemeinsames Sorgerecht für ihre Kinder fand statt. Doch etwa zwei Stunden, bevor sie vom Büro aufbrechen wollte, erhielt sie einen Telefonanruf von ihrem Anwalt.
»Es tut mir leid, Jane, ich habe schlechte Nachrichten für Sie.«
Sie spürte, wie ihre Bauchmuskeln sich verkrampften, brach in Schweiß aus, und fühlte, wie ihre Hände feucht wurden. Ihr Mann hatte sich wieder etwas Neues einfallen lassen, sie würde eine weitere Runde verlieren. Wie oft hatte er das schon gemacht? Zu oft. Ganz gleich, wieviel sie für Anwaltshonorare ausgab, es war nie genug, er bezahlte mehr, kaufte geschicktere Leute, übertrumpfte sie jedesmal .
Als sie mit diesem Kampf begann, war ihr bewußt, daß er nicht mit fairen Mitteln kämpfen würde. Sie wußte, selbst im Falle eines Sieges riskierte sie, daß die Kinder für immer in die Schweiz gebracht wurden, wo sie ihrem Zugriff entzogen waren. Dennoch hatte sie sich entschlossen, den Kampf gegen ihn aufzunehmen. Bevor sie in die Niederungen des Rechtssystems hinabstieg , hätte sie sich nie vorgestellt, welche Frustrationen, Verzögerungen, Unlogik und Unfairneß sie erwarteten. Schon das Wissen, daß ihr Anwalt am Telefon war, reichte aus, um sämtliche Symptome einer Panikattacke auszulösen, noch ehe der Mann überhaupt ein Wort gesagt hatte.
»Bereiten Sie sich lieber gleich auf etwas vor, das Ihnen nicht gefallen wird — dies ist ein harter Brocken .«
»Okay, okay, ich bin vorbereitet. Was ist los?«
»Die Kinder haben durch ihren eigenen Anwalt einen Antrag gestellt. Sie sagen, sie wollen ausschließlich bei ihrem Vater bleiben.«
»Was?«
»Sie versuchen, eine gerichtliche Verfügung zu erwirken, um Sie abzuhalten — «
»Sie versuchen was?« Jane konnte nicht verstehen, was der Anwalt ihr sagte. Die Kinder waren erst dreizehn und fünfzehn. Wie konnten sie einen Anwalt haben? Und warum in Gottes Namen sollten sie so etwas tun? Sie liebten sie, wie sie sie liebte. Sie wußte, daß es so war. Ihre Liebe zueinander war das Fundament ihres Lebens, der
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