Eine mörderische Karriere
einzige feste Punkt, der sich nicht ändern konnte, gleichgültig, was sie sagte oder was die beiden sagten. Wenn ihr Vater sie in den vergangenen drei Jahren auch von ihr ferngehalten hatte, so hatte es doch Briefe und Anrufe gegeben.
»Sie sagen, Sie hätten kein Interesse an Ihnen gezeigt, Ihr Besuchsrecht nie in Anspruch genommen, daß Sie — «
»Einen Moment mal! Was meinen Sie damit? Das muß ein Irrtum sein.«
»Schauen Sie, Jane, ich weiß, daß nichts davon wahr ist. Wir müssen dagegen kämpfen. Ich habe noch nicht raus, ob hier Ihr Mann für die Kinder spricht, oder ob jemand Druck auf sie ausgeübt hat, den Antrag zu stellen .«
»Bernie würde das den Kindern nie antun. Es würde ihnen zu sehr schaden. Egal, was ich sonst von ihm halte, ich weiß, er liebt die Kinder. Zum Wohl der Kinder, um eine Vollzeit-Mutter für sie zu bekommen, hat er mich verlassen. Mein Gott, warum tut er mir das an?«
»Jetzt reißen Sie sich mal zusammen, Jane. Das paßt gar nicht zu Ihnen, so in Panik zu geraten und durchzudrehen. Bewahren wir einen kühlen Kopf, und tun einen Schritt nach dem anderen. Wir müssen...«
Durch die offene Tür sah Jane Ivor kommen. Sie hatte angefangen zu weinen, winkte ihn weg und drehte ihren Stuhl herum, so daß sie mit dem Rücken zur Tür saß. »Lassen Sie mir einen Augenblick Zeit, ich bin gleich wieder in Ordnung.«
Jane sagte sich, daß sie sich zusammenreißen mußte, sich beruhigen und logisch denken mußte, doch sie war zu mitgenommen. Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Sie erinnerte sich an die verschiedenen Gelegenheiten in den vergangenen Jahren, wenn sie versucht hatte, die Kinder zu sehen. Bernie hatte immer einen Grund parat, warum es gerade nicht paßte . Und immer hatte der Grund mit dem Wohl der Kinder zu tun. Sie hatte nicht streiten wollen, sich dem Wohl der Kinder entgegenstellen wollen. Zwei halbwüchsige Jungen mit ihren Hockeyturnieren, ihren Prüfungen, ihren Sommerlagern und Winterferien, ihren Proben für Schulaufführungen, ihren Besuchen bei Freunden. Was sie ihnen auch anzubieten hatte, es reichte nie heran, wirkte immer ziemlich armselig im Vergleich zu den Plänen, die ihr Vater für sie schmiedete. Jetzt begriff sie, daß sie hätte festbleiben müssen. Aber wie? Wie konnte sie so egoistisch sein und sagen: Nein, sie können zu Weihnachten nicht nach Jamaika fahren — sie müssen kommen und das Fest mit mir in meinem Rosedale-Apartment verbringen? Nein, sie dürfen das Wochenende nicht in New York verbringen, in Konzerte und Galerien gehen — sie sollten es damit zubringen, Bücherregale mit ihr zu zimmern und sich einen Film im örtlichen Cineplex anzusehen.
Warum hatte sie nicht einfach gesagt, was sie fühlte? Ich liebe sie, ich will sie sehen, die Zeit vergeht, sie werden erwachsen. Sie sind auch meine Kinder. Aber sie war nicht imstande, es auszusprechen, darauf zu bestehen, sie aus einem Heim mit einem liebevollen Vater und einer liebevollen Stiefmutter heraus und in ein Apartment mit einer Mutter voller Selbstzweifel zu holen. Die Kinder waren immer höflich, wenn sie anriefen, um einen Besuch zu verschieben. Doch jetzt wurde ihr bewußt, daß sie sich mit der Zeit immer mehr entfremdet und sich auch immer seltener gesehen hatten, so daß sie sich alle drei gezwungen gaben, wenn sie dann doch mal zusammen waren. Sie befürchtete, daß die beiden zuviel hatten, zu verwöhnt waren, arrogant, verzogen und versnobt, aber in der kurzen Zeit, die sie zusammen hatten, konnte sie diese Sorgen nicht zeigen. Im Laufe der Zeit war sie zu der Ansicht gelangt, daß die Jungen für sie und ihre Art zu leben Verachtung entwickelten. Trotzdem hatte sie es einzig und allein aus Liebe zu ihnen ertragen, sie nicht zu sehen, jede Absage, jeden Aufschub hatte sie voll Kummer akzeptiert. Wie konnte man ihr diese Haltung jetzt vorwerfen — als Gleichgültigkeit bezeichnen, schwarz auf weiß per Brief vor Gericht niedergelegt, als Vernachlässigung, Lieblosigkeit interpretieren? Oft wiederholte, halbgeformte Gedanken, Gefühle übermannten sie: Selbstvorwürfe, Erstaunen darüber, was für ein Dummkopf sie gewesen war, über die Tragweite ihres Fehlers. Sie konnte kaum aufnehmen, was der Anwalt ihr erzählte. Schließlich beendete sie das Gespräch und legte auf. Sie wußte, daß sie erst mal Zeit für sich allein brauchte, um nachzudenken, zu entscheiden, was sie tun sollte, wie sie kämpfen, ihre innere Ruhe zurückgewinnen sollte.
Das Telefon
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