Eine mörderische Karriere
war etwas, das sie nicht verstand. Aber ihr war nicht danach, weiter nachzuhaken. Sie spürte, daß er dann wütend werden würde, ihr gemeinsamer Tag wäre verdorben, und er würde es ihr trotzdem nicht sagen. Sie würde es eben auf andere Art herausfinden müssen. Der Gedanke erzeugte ihr Unbehagen. Sie spürte, daß ihr überhaupt nicht gefallen würde, was hinter seinem seltsamen Benehmen steckte.
Jane mochte Sergeant Barrodale von der Abteilung Kapitalverbrechen der Metropolitan Police von Toronto, und sie nahm auch an, daß er sie mochte. Wenn es bei ihrer vorangegangenen Begegnung auch Jane war, die herausfand, wer das Verbrechen verübt hatte, in das sie verwickelt wurde, so blieb es dann doch der Polizei überlassen, die Beweise zu sammeln, die letzüich zur Verurteilung führten. Jane hatte sich nie als Detektivin oder auch nur als die Aufklärerin eines Verbrechens gesehen. Sie glaubte, daß sie nur zu gern bereit war, ihr gesamtes Wissen oder Verdachtsmomente an die Polizei weiterzugeben, selbst wenn alles scheinbar gegen Menschen sprach, die sie mochte, in dem Vertrauen, daß die Polizei alles sorgfältig nachprüfen und kein ernsthafter Schaden entstehen würde.
Janes beste Freundin Kersti, eine Journalistin, hatte sie gewarnt, daß diese Haltung hoffnungslos naiv sei, doch bisher hatte Jane keinen Grund, ihre Meinung zu ändern. Als sie jetzt Sergeant Barrodale gegenübersaß, lächelte sie ihm zu und hoffte, daß er sich an ihre zurückliegende Hilfsbereitschaft erinnern und ihr erzählen würde, was sie über Georgias Tod wissen wollte.
»Ist das jetzt Ihr Fall ?« fragte sie ihn und beobachtete, wie er einen Stapel Schnellhefter, eine Schachtel mit ¡Beweisstücken und ein Bündel Notizzettel beiseite schob, um Platz für die Ausdrucke zu machen, die sie ¡hm mitgebracht hatte.
Sergeant Barrodale war ein großer, massiger Mann mit sich lichtendem blonden Haar, das er an den Seiten länger trug und über eine sich ausbreitende kahle Stelle frisierte, in dem erfolglosen, aber gewinnenden Versuch, diese zu kaschieren. Er hatte sanfte blaue Augen und ein täuschend uninteressiertes, gelassenes und eher unintelligent wirkendes Auftreten. Jane hatte akzeptiert, daß dieses Verhaltensmuster nur eines von vielen war. Sie nahm an, daß er bei ihr das Wesen zur Schau trug, das er für den Teil des Publikums reservierte, der zur fleißigen, gesetzestreuen und vermutlich mit guten Beziehungen ausgestatteten Mittel- und oberen Mittelklasse gehörte. Ab und zu erhaschte sie auch einen Blick auf andere, weniger sympathische Sergeant Barrodales : den harten Cop , den politisch rechtsstehenden Polizeibeamten, den peinlich genauen Ermittler, den Drangsalierer aufsässiger Tatverdächtiger. Anstatt sie zu beunruhigen, machten ihn diese anderen » Barrodales « für sie nur realer und liebenswerter. In ihr steckten weiß Gott genug widersprüchliche Jane Tregars .
»Mein Fall?« Er lächelte und klopfte auf seine Brusttasche, ertastete eine Zigarettenschachtel und holte sie heraus. Er zog eine Zigarette aus der Packung und schwenkte sie vor ihr. Sie nickte, und er zündete sie an. »Im Augenblick, ja. Und das habe ich vermutlich Ihnen zu verdanken.«
»Mir?«
»Nach den Ergebnissen unserer Vorermittlungen kennen Sie so gut wie jede der Personen, die in diese Sache verwickelt sind. Die ursprünglich mit dem Fall betrauten Officers dachten, Sie könnten eine große Hilfe sein. Also hielten sie es für eine gute Idee, mich ins Team einzubeziehen, da ich mit Ihnen bekannt bin.«
»Großartig«, sagte Jane. »Ich werde Ihnen mit Freuden sämtliche Fragen beantworten, wenn Sie mir erzählen was passiert ist, wie die Ermittlungen laufen und so weiter.«
»Nun, Jane, Sie erinnern sich wohl noch, daß es so nicht funktioniert. Sie erzählen uns, was Sie wissen — «
»Schon gut, schon gut, ich verstehe, daß Sie das sagen müssen.«
Nach weiterem einleitendem Geplänkel erklärte Sergeant Barrodale sich bereit, Jane den »Hintergrund« zu liefern. Er erzählte, daß Georgia laut Bericht der Gerichtsmedizin etwa zur Zeit der Party gestorben war. Ja, der Bericht des Pathologen, gestützt durch die polizeilichen Ermittlungen zum Ablauf von Georgias letztem Tag, legte sogar nahe, daß sie irgendwann zwischen fünf und zehn Uhr am Abend der Party den Tod fand. Ihre letzte Mahlzeit schien das Mittagessen am Tag der Party gewesen zu sein, und später hatte sie einige Drinks zu sich genommen, kurz vor ihrem Tod, was darauf
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