Eine Nacht, Markowitz
Feige, und die kleine, markante Nase seiner Mutter, dazu die Purpurwangen von Jona, die mit ihrer Röte Stiere verrückt machten, und Fanias Haar, bei dessen Anblick er die Hände tief in den Hosentaschen vergraben musste, um es nicht unversehens zu streicheln. Zum Schluss fehlten nur noch die Augen, die Jakob Markowitz geschlagene zwei Stunden um die Ruhe brachten. Blaue fand er kalt und grüne böse und braune gewöhnlich. Ahuvas waren zu groß, Fanias zu klein, und aus den Augen seiner Mutter kriegte er die ewige Enttäuschung nicht mehr raus. Kurz vor Sonnenaufgang, begeistert über die glänzende Lösung, die ihm eingefallen war, verlieh er ihr Sonias Augen, um einen Millimeter näher zusammengerückt. Als Jakob Markowitz endlich das ganze Gesicht anschaute, überlief ihn ein warmer Schauder, der rein gar nichts mit Gänsefedern oder Selbstmitleid zu tun hatte. Es war Hoffnung.
5
A m nächsten Abend um sieben Uhr machten sich Jakob Markowitz und Seev Feinberg auf zu der Wohnung im Osten der Stadt, wo das Treffen mit den Mädchen stattfinden sollte. Ein Stück hinter ihnen gingen die anderen jungen Männer, einige paarweise, andere in Dreier- und Vierergrüppchen. Alle bemühten sich zwar um eine ausgeglichene Miene und einen gelassenen Ton, aber der starke Duft nach Parfüm und Rasierwasser verriet sie. In der Straße, in der die Wohnung lag, verbanden sich die Grüppchen schon zu einem ziemlich aufgeregten Pulk. Der offizielle Kommandeur der Operation, Michael Katz, musterte ihre Gesichter verdrossen. Er hatte sich ausgemalt, einen Trupp tadelloser Kämpfer in die Wohnung zu führen, die Elite der Irgun in Palästina, hatte gehofft, den blassen Mädchen zwanzig gestandene Männer, von der mediterranen Sonne gebräunt und vom Ackerbau gestählt, vorstellen zu können. Aber ihre Körperbräune war an Bord des Schiffes verblasst, und auf ihren Wangen hatte sich verlegene Röte breitgemacht. Angesichts der gespannten Erwartung auf ihren Gesichtern wirkten ihre Armmuskeln, ihr ganzer Stolz, wie die Verkleidung eines kleinen Jungen. Alles in allem waren sie zwanzig junge Männer eine Minute vor der Begegnung mit zwanzig jungen Frauen. Beim Betreten der Wohnung musste selbst Michael Katz seine schwitzenden Hände registrieren, und als er das Wort ergriff, merkte er entsetzt, dass er sich anhörte wie ein Conférencier, der einen Ball eröffnet.
»Meine Damen, ich bin Michael Katz, der Leiter der Operation seitens der Irgun in Erez Israel.« Die Frauen ließen ein anerkennendes Gemurmel vernehmen, und Michael Katz erlaubte sich einen flüchtigen Blick auf den Harem. Die meisten drängten sich auf vier eleganten Sofas, und die, die dort keinen Platz gefunden hatten, saßen auf eng an die Sofas gerückten Stühlen, als wollten sie ja nicht aus der Gruppe ausscheren. Eine Frau stand, mit dem Rücken zu ihm, und sah aus dem Fenster. Fünf leere Stühle befanden sich an der Wand, aber da keiner der Männer es wagte, einen Stuhl zu besetzen, der vielleicht für die stehende Frau gedacht war, blieben sie alle stehen. Der örtliche Irgun-Vertreter drückte Katz die Hand und begann, die Operation im Einzelnen zu erklären. In den sechs Tagen seit der Landung des Schiffes habe er fast jeden Beamten im Stadtbereich bestochen. Wenn sie ein bisschen Glück hätten, würden die Kämpfer morgen Vormittag die Mädchen heiraten, und wenn sie noch sehr viel mehr Glück hätten, würden sie übermorgen nach Palästina aufbrechen. Im Land Israel angekommen, würden sie rasch die Ehe lösen, aber ihre Dankbarkeit gälte natürlich ewiglich »den Kämpfern der Irgun, die zwanzig jüdische Frauen aus dem eisernen Griff des Feindes befreit haben«! Die letzten Worte schmetterte er so feierlich, dass alle Anwesenden, Männer wie Frauen, ihm spontanen Applaus zollten. Michael Katz klatschte ebenfalls in seine schwitzenden Hände, verfluchte im Stillen jedoch den Ortsgruppenleiter, der so gut gesprochen hatte. Seev Feinberg nutzte den allgemeinen Tumult, um die Frauen auf den Sofas zu begutachten, und sein Schnauzer kräuselte sich genüsslich, während die Augen durchs Zimmer schweiften. Auch Jakob Markowitz’ Blick landete unwillkürlich auf den Sofas, wanderte aber rasch weiter zu der Frau, die am Fenster stand, den Rücken dem Zimmer zugewandt. Michael Katz räusperte sich, hatte schon eine feierliche Rede auf der Zunge, die die Worte des Ortsgruppenleiters in den Schatten stellen würde, aber der kam ihm erneut zuvor. »Da nicht viel
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