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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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Händlers aus Jaffa roch immer noch stark nach Bier, und neben der Matratze des Spielers lagen die Würfel und zwei Kartenspiele. Auf der Matratze des Lahmen war das Gebetbuch an der üblichen Stelle aufgeschlagen: »Zu meiner Rechten Michael, zu meiner Linken Gabriel, vor mir Uriel, hinter mir Rafael, und über meinem Haupt die Gegenwart des Ewigen.« Jetzt war das Gebetbuch verwaist. Verwaist waren auch die Bierflasche und die Würfel. Jakob Markowitz dachte an seine Kameraden, die auf dem Berg gefallen waren, und spürte eine große Aufgabe auf seinen Schultern lasten. Er nahm die Bierflasche und trank einen Schluck. Dann warf er die Würfel und wettete mit sich selbst über das Ergebnis. Nachdem er gewonnen hatte, hob er das Gebetbuch auf und las die Namen der Engel, unter besonderer Betonung des Erzengels Uriel, hob die Stimme, wie es der Lahme bei dessen Namen immer getan hatte. Meist war dieser laute Ruf mit schallendem Gelächter aus dem Nachbarzelt quittiert worden, aber diesmal hörte Jakob Markowitz nichts, sei es, weil die Zeltinsassen zum Lachen zu angeschlagen waren, sei es, weil ihm die Tränen die Ohren verschlossen. So trank und spielte und betete Jakob Markowitz zum Gedenken an seine Kameraden den ganzen Tag und die folgenden zwei Tage, bis man ins Zelt kam und ihm ausrichtete, der neue Anführer wünsche ihn zu sprechen.
    Im Verlauf der drei Tage, seit er seine Kameraden auf dem Berg zurückgelassen hatte, war Jakob Markowitz ein Meister in seinen neuen Künsten geworden. Nun konnte er gleichzeitig beten, trinken und spielen. Erst nahm er einen großen Schluck Bier. Während ihm der Gerstensaft noch durch die Kehle glitt, warf er den Würfel und fing gleich darauf an zu beten, hoffte mit aller Kraft, die Glücksgöttin möge den Würfel mit der Sechs nach oben fallen lassen, gleich der Anzahl der hebräischen Buchstaben im Namen des Engels Uriel. Manchmal störte ein Hicks vom Bier sein Gebet. Dann entschuldigte sich Jakob Markowitz inständig bei dem Lahmen und lächelte dem Trinker zu. Als die Soldaten ihn holen kamen, entfuhr ihm so ein Hicks. Die Soldaten begriffen nicht, dass der Schluckauf nichts anderes war als ein großartiges Ehrenmal für den Jaffaer Händler, oder vielleicht begriffen sie es doch, waren aber keine großen Freunde von Ehrenmalen. Wie dem auch sei, sofort griff einer nach der Flasche, um sie zu konfiszieren. Diesmal brauchte Jakob Markowitz das Gewehr nicht zu spannen. Ein Blick genügte, um die Hand des Soldaten zurückzucken zu lassen. Zu seiner Rechten den Trinker, zu seiner Linken den Spieler, vor sich den Lahmen, hinter sich den gefallenen Anführer und über seinem Haupt am Himmel des Landes die eine Leidenschaft – so marschierte Jakob Markowitz zum Zelt des neuen Befehlshabers.
    »Wie ich höre, bist du der einzige Überlebende.«
    Der neue Anführer glich dem alten in fast allem, abgesehen davon, dass er lebte und der andere tot war. Er war groß und breitschultrig, hatte lockiges Haar und kühn blickende Augen. Aber waren auch seine Träume von einer Leidenschaft besessen? Das wusste Jakob Markowitz nicht zu sagen.
    »Viele haben überlebt. Das Lager ist voll von ihnen.«
    »Das Lager ist voll von denen, die abgezogen sind. Doch von denen, die vorwärtsstürmten, von den Selbstmördern am Berg, bist du allein übrig geblieben.«
    »Stimmt.« Jakob Markowitz spürte den Schluckauf im Hals aufsteigen und begann, zu Uriel zu beten, er möge seinen Mund verschließen, und zu wetten, ob der Erzengel seiner Bitte wohl entsprechen würde. Doch dann seufzte der Anführer tief und laut, und Jakob Markowitz’ Hicks ging spurlos darin auf.
    »Welche Vergeudung. Welche Verschwendung. Es war doch klar, dass ihr keine Chance hattet.«
    Jakob Markowitz wusste nicht, ob der Vorgesetzte eine Antwort erwartete, und sagte lieber nichts. Eine logische Erklärung konnte er nicht liefern, und die Erklärung, die er hätte geben können, wäre sinnlos verpufft. Wer überwältigende Leidenschaften nicht kannte, der konnte sie nicht verstehen.
    »Und jetzt müssen wir erneut angreifen.«
    Nun sah Jakob Markowitz den Anführer verwirrt an. Die Festung beherrschte doch eindeutig nicht seine Träume, warum sollte er sie dann wieder erstürmen?
    »Wenn wir keine Chance haben, Chef, warum sollten wir es dann versuchen?«
    »Weil wir schon einmal gescheitert sind. Jeder Soldat, der vom Berg abgestiegen ist, weiß, dass wir die Tore der Festung beinah erreicht hätten. Wenn wir jetzt

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