Eine Nacht und tausend Geheimnisse
sich offensichtlich sehr unbehaglich. „Dann sind Sie … bist du …“
„Paige“, stieß sie wütend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Es war eindeutig, dass der Mann keine Ahnung hatte, wer sie war. Andererseits, konnte sie es ihm übel nehmen, dass er eine so unangenehme Erinnerung am liebsten für immer verdrängte? Anfangs in der Bar hatten sie beide ihren Spaß gehabt. Sie hatten miteinander geflirtet, und er war witzig und charmant und sehr attraktiv gewesen. Schon seit langer Zeit hatte Paige sich nicht mehr so begehrt gefühlt. Dann hatte er sie gefragt, ob sie nicht mit ihm in seine Suite kommen wollte. Erst nach zwei Martinis war sie dazu bereit gewesen, und auch so hatte sie noch ihren ganzen Mut zusammennehmen müssen. Das Ende allerdings war dann mehr als demütigend gewesen. Sehr bitter für einen Mann. Und für sie. Denn wieder hatte sie feststellen müssen, dass ihr offenbar etwas fehlte und sie nicht das tun konnte, was von ihr erwartet wurde.
„Aber natürlich. Paige. Entschuldige. Ich hätte dich gleich erkennen müssen. Aber ich habe momentan etwas viel um die Ohren.“
Der Trent von vor einem Jahr war immer charmant und liebenswürdig gewesen, ob er ihr nun einen Drink an der Bar bestellt hatte oder sie später nach dem Desaster zum Fahrstuhl gebracht hatte. Dieser Trent hier war abweisend und schien leicht genervt zu sein. Es war deutlich, dass er nichts mit ihr zu tun haben wollte. Warum hatte sie ihn nur angesprochen? Wenn sie sich vorstellte, wie sie sich damals benommen hatte, wie dumm sie gewesen war! Noch immer konnte sie kaum glauben, wie enttäuschend ihr Versuch verlaufen war, die wilde und unabhängige Paige hervorzukehren. Alles war so schrecklich gewesen, dass sie es nie wieder versucht hatte. Was sie aber nicht davon abhielt, den Schwestern alles Mögliche vorzulügen.
Ja, leider. Irgendwann würde sie noch einmal dafür büßen müssen, dass sie zu Hause die wildesten Geschichten über ihre Zeit in Las Vegas erzählte. Aber alles war besser, als von der Familie für ein Leben bemitleidet zu werden, das ziemlich einsam und langweilig war und außer Arbeit nichts Interessantes bot.
Kommt Zeit, kommt Rat. Erst einmal musste sie diese Situation hier heil überstehen. Und dafür sollte sie gefasst, ruhig und höflich sein. Sie versuchte sich zu entspannen. Machte nicht jeder Mensch Fehler? Die Sache mit Trent Hightower war ganz sicher einer der großen Fehler in ihrem Leben. Und da er sich später nie wieder bei ihr gemeldet hatte, empfand er offenbar genauso, wenn er an sie dachte.
Jetzt sah er sie fragend an. „Es hat doch kein … Wie soll ich sagen … Nachspiel gegeben?“
Sie errötete und senkte den Kopf. Damals hatte sie vorübergehend befürchtet, dass sie einer ihrer Kollegen gesehen hätte, als sie mit Trent die Treppe hinaufgestiegen war. Das war aber glücklicherweise nicht der Fall gewesen. Denn sonst wäre ihr Ruf ziemlich ruiniert gewesen. „Nein.“
„Gut. Dann muss ich jetzt leider gehen. Auf Wiedersehen.“ Er nickte ihr kurz zu und ging. Sprachlos starrte sie ihm hinterher. Dabei fiel ihr auf, dass irgendetwas anders war, ohne dass sie wusste, was. Dies war ohne Zweifel der Mann, dem sie vor einem Jahr in seine Suite gefolgt war. So einen Mann konnte man nicht vergessen, nicht diese unglaublich hellen Augen, das kräftige Kinn und den männlich-sensiblen Mund. Sein Aussehen hatte sie gleich angezogen. Und dennoch ließ sie der Gedanke nicht los, dass ein Unterschied bestand zwischen dem Trent von damals und dem von heute. Sein Gang war entschiedener, zielstrebiger. Die Schultern wirkten breiter. Wahrscheinlich verbrachte er jetzt mehr Zeit im Fitnessstudio. Auch die Stimme klang anders, tiefer und bestimmter. Aber vielleicht war das nur der Fall, weil die Begegnung auch für ihn peinlich war und er seine Unsicherheit überspielen wollte.
Wie sehr hatte sie sich bemüht, die Nacht von vor einem Jahr zu vergessen! Aber es sah so aus, als würde sie zumindest für die Dauer dieses Kongresses immer wieder daran erinnert werden. Dennoch nahm sie sich eines fest vor: Auf keinen Fall würde sie Trent Hightower merken lassen, wie sehr sie die Begegnung damals verwirrt hatte. Und nicht nur das. Er hatte ihr die Hoffnung auf ein aufregendes Leben in der großen Stadt gründlich ausgetrieben, nach dem sie sich damals so sehr gesehnt hatte. Denn nur so meinte sie über die bittere Enttäuschung hinwegkommen zu können, dass ihr langjähriger Freund
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