Eine Nacht wie Samt und Seide
zu großes Risiko gewesen.
An diesem ersten Tag war es Pris, Russ und Patrick strengstens verboten, sich auch nur in die Nähe von Newmarket zu wagen. Die beiden Zwillinge durften sich nicht sehen lassen, weil wegen der vielen Besucher - zumeist aus London, aber auch aus Irland - die Gefahr zu groß war, dass jemand sie erkannte. Patrick war mit der Aufgabe betraut worden, dafür zu sorgen, dass das Duo nicht am Ende doch noch auf dumme Gedanken kam.
Während der Montag verging, war keiner unter den Verschwörern, der nicht von Ungeduld geplagt wurde, der nicht darauf wartete, das nächste Morgengrauen zu sehen.
Ein paar wichtige Rennen waren für den kommenden Tag angesetzt, darunter auch das für die Zweijährigen, in dem Blistering Belle antreten sollte. Am Vormittag waren es fünf Rennen, alle mit hervorragenden Startfeldern - die alle beträchtliche Aufregung unter den Horden von Herren und der ausgewählten Gruppe Damen auslösen würden, die nach Newmarket gekommen waren, der Heimat des Sports der Könige.
Schließlich ging dann doch die Sonne unter, und der Tag neigte sich seinem Ende zu. Nacht legte sich über Newmarket, verwandelte die Stadt in ein Meer aus Lichtern für die zahllosen Abendgesellschaften und Partys, auf denen die Massen sich unterhielten. Doch jenseits der Stadt, hinter den Häusern, um die Rennstrecke und auf der Heide senkte sich Stille und Dunkelheit über die Landschaft.
Die Stunde vor dem Morgengrauen war die kälteste und die dunkelste. An diesem Dienstagmorgen verließen die Cynster-Pferde ihren warmen Stall zu der gottlos frühen Stunde von vier Uhr morgens. Unter dem wachsamen Auge von Demon und Flick begannen sie ihren langsamen Weg zu den Ställen, wo sie auf ihren Einsatz warten würden. An das Training am frühen Morgen gewöhnt, waren die Tiere es zufrieden, gemächlich mit den Pferden zu trotten, auf denen die Stallburschen saßen, die neben ihnen ritten und sie am Zügel führten.
Als die Kavalkade aus sechs Rennpferden und ihrer Begleitung sich den Toren von Hillgate End näherte, trat ein weiteres Pferdepaar aus den Schatten und wurde eins mit der größeren Truppe.
Mit verkniffenen Lippen nickte Demon der schlanken Gestalt auf einem von Flicks älteren Pferden zu; zerzaust, eine Stoffmütze tief in die Stirn gezogen und einen Wollschal um Hals und Kinn geschlungen, hielt Pris Blistering Beiles Zügel locker in der Hand. Sie saß leicht vornübergebeugt und war auf den ersten Blick nicht von den anderen Stallburschen, die Demons und Flicks Pferde führten, zu unterscheiden. Aber sie hielt die Zügel des Tieres, auf dem ihrer aller Hoffnung ruhte.
Ihre aktive Beteiligung an dem Plan hatte beinahe alles umgeworfen. Dillon, Russ, Patrick, Barnaby und Demon hatten sich alle hitzig dagegen ausgesprochen, dass sie den »Stallburschen« von Blistering Belle spielte, das Tier zur Rennbahn führte und dann in den Stall, wo sie den Tausch vornehmen würde und die andere Stute wegbringen. Es war die gefährlichste und entscheidende Rolle in dem ganzen Vorhaben.
Sie hatten alle geschimpft und geflucht, bis Flick knapp und nicht ohne Schärfe bemerkt hatte, dass Pris die Einzige war, die tun konnte, was getan werden musste. Das als wahr zu erkennen und sich damit abzufinden war schmerzlich gewesen, nicht nur für Russ und Dillon, aber es gab keine andere Wahl.
Blistering Belle hatte ein enges Band mit Russ geknüpft; sie vertraute ihm uneingeschränkt und würde ihm überallhin folgen. Unseligerweise schätzte sie es gar nicht, wenn Russ sie verließ; jedes Mal, wenn er ging, wieherte sie, trat gegen die Wände ihres Stalles und unternahm alles, was in ihren Kräften als Pferd stand, um ihn zurückzubringen.
Russ konnte sie daher auf keinen Fall in Figgs’ Stall bringen und gegen die andere Stute austauschen. Belle würde es nicht dulden. Sie würde so ein Theater veranstalten, dass jeder, angefangen bei Crom, angerannt käme. Da Russ ohnehin nicht riskieren konnte, von ihm oder Harkness gesehen zu werden, besonders nicht mit Belle oder ihrer Doppelgängerin, war er von Anfang an nicht im Rennen um diese Aufgabe gewesen.
Ursprünglich hatte niemand das Problem kommen sehen, aber als sie versucht hatten, Belle dazu zu bringen, dass einer von Dillons Stallburschen sie führte, hatten sie entdeckt, dass sie argwöhnisch geworden war und niemanden in ihre Nähe ließ, dem sie nicht traute. Es hatte ihr gar nicht gefallen, in den abgelegenen Stall gesperrt zu werden, und sie
Weitere Kostenlose Bücher