Eine Nacht wie Samt und Seide
ritt sie zu den Reitern hinter dem Stall; Demons Zeitplanung hatte dafür gesorgt, dass sie und Belle nur einen kurzen Moment außerhalb der Gruppe zu sehen waren, so lange wie sie brauchten, um den Stall zu umrunden und zu den anderen zu stoßen.
Dillon wartete ebenso wie Russ dort auf sie. Ihr Zwillingsbruder lächelte flüchtig. Sie erwiderte das Lächeln, aber es fühlte sich verkrampft an. Russ ließ sein Pferd losgehen und führte die drei früheren Rennpferde, die Flick und Demon ihnen zur Verfügung gestellt hatten, mit sich. Ihre immer noch eleganten Umrisse boten die perfekte Deckung für Belle; sie nahmen sie in die Mitte. Hinter Russ setzte sich der Rest der kleinen Gruppe in Bewegung und folgte ihm hinter der Rückseite der in einem weiten Bogen, ein wenig abseits der Rennstrecke stehenden Ställe entlang. Diese Ställe bildeten den äußeren Ring um die Bahn, den inneren stellten die Unterstände direkt an der Strecke dar. Für alle, die sie sahen, würde es so aussehen, als brächten sie eine kleine Gruppe Rennpferde von einem der entfernter liegenden Ställe für den Tag her.
Ein paar Burschen und Pferdenarren, die an den Ställen herumlungerten, sahen sie, aber alle Aufmerksamkeit richtete sich sogleich auf die Unterstände an der Rennbahn, als sich die Nachricht verbreitete, dass die Cynster-Pferde schon so früh eingetroffen seien. Alle eilten dorthin, um sich das Spektakel anzusehen.
Niemand gönnte der kleinen Truppe einen zweiten Blick.
Dillon, der wie immer auf seinem Rappen saß, ritt neben ihr. Außer einem langen, eindringlichen Blick, den er ihr zugeworfen hatte, nachdem er sein Pferd zu ihr gelenkt hatte, hatte er nichts unternommen, hielt sich einfach nur an ihrer Seite. Kein Lächeln; sein Gesicht hätte aus Granit gemeißelt sein können, seine Miene versteinert. Er war für einen Tag auf der Rennbahn gekleidet. Seine Rolle bestand darin, jede Phase ihres Planes zu überwachen. Sollte etwas schiefgehen, würde er kraft seiner Autorität eingreifen und die Aufmerksamkeit von ihnen ablenken.
Bei ihrem abschließenden Treffen gestern Nacht hatte er knapp umrissen, was sie - und damit meinte er vor allem sich selbst - tun würden, sobald Belle sicher ausgetauscht und am richtigen Ort war. Während für die anderen dann jede aktive Beteiligung vorüber war, ging es für ihn weiter, wenigstens bis Beiles Rennen zu Ende war.
Sie trotteten langsam vorwärts; Pris bemühte sich, Luft in ihre Lungen zu saugen, es fühlte sich an, als drückte ein schweres Gewicht auf ihre Brust. Sie verspürte den Drang, sich ständig umzusehen, nach Harkness und Crom Ausschau zu halten, obwohl sie genau wusste, dass sie gestern zum Rigby-Gut zurückgekehrt waren und vermutlich nicht früher als in einer Stunde hier erscheinen würden.
Dillon hatte all seine Stallburschen und Pferdeknechte gestern ausgesandt, um alle Bewegungen zu überwachen, über die sie unterrichtet sein mussten. Es war echtes Glück gewesen, dass Harkness gestern Mittag noch einmal nach Blistering Belle geschaut hatte, ehe er zur Strecke zurückgekehrt war; dadurch war es ihnen möglich gewesen, Belle schon am Nachmittag auf Umwegen zum Cynster-Gestüt zu bringen, sie ein letztes Mal auf der dortigen Übungsbahn unter Flicks erfahrenem Auge zu trainieren und sie dann zu den Ställen auf Hillgate End zu bringen, wo sie die Nacht verbracht hatte.
Der Himmel hellte sich allmählich auf, verfärbte sich von Schwarz zu Tintenblau und schließlich zu Grau. Sie kamen an einem weiteren Stall vorbei, näherten sich langsam, aber sicher Figgs’ Stall, wo Cromartys Rennpferde für den heutigen Tag untergebracht waren.
Das war ein weiterer glücklicher Umstand gewesen. Nachdem er eine billigere Unterkunft gemietet hatte, die weiter entfernt von der Rennstrecke lag, konnte er seine Tiere nicht erst am Morgen herbringen. Er hatte sie schon am Nachmittag zuvor herschaffen müssen und über Nacht in einem der Ställe unterstellen, die sich auf diese Fälle spezialisiert hatten. Wenn es sich anders verhalten hätte, wäre das zeitliche Fenster, in welchem sie Belle gegen ihre Doppelgängerin austauschen konnten, deutlich kleiner gewesen, sodass es am Ende gar nicht machbar gewesen wäre.
Tief Luft holend, als Figgs’ Stall in Sichtweite kam, betete Pris, dass sie genug Zeit hätte, um Belle in den Stall zu bringen und die andere Stute herauszuholen, ohne dass jemand von Cromartys Leuten etwas bemerkte.
Dillon drängte Solomon vorwärts. Russ sah
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