Eine Nacht wie Samt und Seide
mochte es nun ebenso wenig, von irgendwem weggebracht zu werden.
Sie hatten alle ausprobiert, sogar Barnaby. Die Einzige, die Belle akzeptierte, war Pris, höchstwahrscheinlich deshalb, weil sie ihre Stimme so weit senken konnte, dass sie ganz ähnlich wie die ihres Zwillingsbruders klang. Ihr Tonfall und die Art und
Weise, wie sie sprachen, war ohnehin erstaunlich ähnlich - sogar für Pferdeohren, wie es schien.
Belle erkannte in Pris eine Freundin. Von ihr ließ sie sich problemlos führen; am allerwichtigsten aber war, dass sie gleichmütig zulassen würde, dass Pris sie in eine Stallbox brachte und dort ließ, um ein anderes Tier mitzunehmen.
Dass Pris sie verließ, war hinnehmbar; bei Russ war es das nicht.
Das männliche Gemurre über diese weibliche Sensibilität hatte noch Stunden angedauert, aber am Ende konnte es nichts an der Tatsache ändern, dass nur Pris diesen Job übernehmen konnte.
Letzte Nacht war sie auf dem Gestüt geblieben und hatte sich von Demon, Flick und Russ zeigen und erklären lassen, was sie erwartete und wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten solle. Demon beobachtete sie, während sie mit ihnen lief, und stieß ein stilles Stoßgebet aus, dass sie alle Möglichkeiten abgedeckt hatten. Er schaute zu Flick, die an seiner Seite ritt. Auch wenn es ihm völlig gegen den Strich ging, hätte er es vorgezogen, wenn sie an Pris’ Stelle wäre. Flick war praktisch auf der Rennstrecke in Newmarket aufgewachsen, wusste alles über die Ställe und morgendliche Rennen, was es nur zu wissen gab.
Die Straße erreichte den Rand der Heide; statt weiter der festgestampften Erde zu folgen, bog die Kavalkade auf den Torfboden ab, schlug die direkteste Route zur Rennbahn ein. Das stetige Klappern der Hufe wurde dumpfer.
Ohne den Schutz der Bäume schien die Luft kühler, die Nebelschleier kälter und nasser. Demon hob den Kopf, prüfte die leichte Brise, studierte die Wolken am Himmel. Der Tag würde schön; sobald die Sonne aufging, löste sich der Nebel auf. Es würde ein weiterer Tag, wie geschaffen für Pferderennen.
Er blickte wieder zu Pris und sah sie erschauern. Er selbst trug einen dicken Mantel, Flick war in eine warme Pelisse gehüllt. Pris hatte dagegen nur eine fadenscheinige alte Jacke an, die nicht dick genug war, die morgendliche Kälte abzuhalten, aber sie musste wie der Stallbursche aussehen, der zu sein sie vorgab. Mit zusammengebissenen Zähnen zwang Demon sich, den Blick abzuwenden.
Pris war sich selbst nicht sicher, ob die Ursache für ihr Erschauern tatsächlich die feuchte Kälte war. Sie war so angespannt, dass es ein Wunder war, dass ihr Pferd nicht unruhig tänzelte oder gar scheute. Ihre Nerven waren straffer gespannt als je zuvor.
Neben ihr trottete Belle, zufrieden, wieder unter Ihresgleichen zu sein. Ab und zu hob sie den Kopf, wenn sie nach vorne schaute, beinahe als könnte sie die Strecke wittern. Während sie Russ beim Training in den letzten Tagen zugeschaut hatte, hatte Pris gelernt, dass manche Pferde es schlicht liebten zu rennen -und Belle war eines davon. Sie schien darauf zu brennen, an den Start zu gehen, zu laufen und zu gewinnen.
Alles hing davon ab, dass sie es tat, aber nach den letzten Tagen war das die geringste von Pris’ Sorgen. Belle in den Stall zu schaffen und das andere Pferd heraus, ohne dass Crom etwas bemerkte und ohne dass Russ etwas unternahm, wodurch er ungewollt Aufmerksamkeit auf sich zog, ragte als größte Hürde vor ihr auf.
Außer den seltsamen Bemerkungen der Stallburschen, dem gelegentlichen Schnauben eines Pferdes und dem gedämpften Klirren des Zaumzeugs, zog die Kavalkade still über die weite grüne Fläche.
Schließlich tauchte der erste der Ställe, die verteilt um die Strecke herumstanden, aus dem dünner werdenden Nebel auf. Pris suchte mit den Augen die Rückseite und das Gelände dahinter ab und entdeckte drei Gestalten auf Pferden, die dort warteten - einen Gentleman in einem Mantel und drei Stallburschen mit je einem Rennpferd am Zügel.
Sie schaute fragend zu Demon, der auf der anderen Seite von Belle ritt.
Er fing ihren Blick auf. »Warten Sie noch, bis wir näher sind.«
Sie nickte. Ihr Weg würde sie an der Vorderseite des Stalls vorbeiführen und weiter zur Rennbahn.
»Jetzt.«
Auf Demons leisen Befehl hin lenkte sie ihr Pferd und Belle zur Seite. Die Stallburschen hinter ihr verlangsamten ihr Tempo, sodass sie sich von der Gruppe lösen konnte. Mit derselben gleichmäßigen Geschwindigkeit
Weitere Kostenlose Bücher