Eine Nacht wie Samt und Seide
»Harkness! Was zum Teufel hat der hier schon so früh zu suchen?«
Dillon fuhr herum und schaute in die Richtung, in die Russ starrte, während er gleichzeitig dichter zu Pris trat, um sie zu verdecken.
Harkness - groß, kräftig und schwarzhaarig - kam von einem der mit einem Seil umspannten Felder her, wo die Rennbesucher ihre Pferde lassen konnten. Sein Blick war auf Figgs’ Stall gerichtet, eindeutig sein Ziel.
Dillon fasste Pris am Arm, halb zog er sie, halb schob er sie, nahm auch Russ gleich mit, um die Ecke in Sicherheit. »Wartet hier.« Sein Ton verbat sich jeden Widerspruch. »Ich kümmere mich um ihn. Ihr haltet euch an den Plan.«
Ohne auf irgendein Zeichen der Kenntnisnahme zu warten, machte er auf dem Absatz kehrt und schritt rasch um die Ecke und weiter zum Vorhof von Figgs’ Stall, dann mäßigte er seine Schritte etwas. Er kam an dem Haupttor vorbei, das nun weit offen stand; innen bemerkte er eine gewisse Unruhe, es hörte sich an, als ob Crom aufwachte. Er kam an die Grenze zwischen Figgs’ und dem benachbarten Stall und entdeckte Barnaby ein Stück weiter an der Wand eines Unterstands. Sein Freund starrte ihn an, runzelte die Stirn - Dillon blieb stehen, hob den Kopf und schaute an den Unterständen vorbei zur Rennstrecke, als überblickte er sein Reich - und fand alles in Ordnung.
Harkness näherte sich ihm auf dem Gang zwischen den beiden Ställen. Dillon war an einer Stelle stehen geblieben, wo Harkness an ihm vorbeikommen musste. Als die schweren Schritte des Mannes näher kamen, drehte sich Dillon zu ihm um. Mit freundlicher Miene sah er ihn an, neigte den Kopf in einem höflichen, aber auch vagen Nicken - eine Geste, die Harkness leicht misstrauisch erwiderte -, und ging dann weiter.
Dillon machte zwei Schritte, verhielt dann und schaute zurück. »Harkness, nicht wahr?«
Harkness erstarrte, blickte ihn an.
Dillon lächelte unbekümmert. »Sie trainieren für Cromarty, richtig?«
Langsam drehte sich Harkness zu ihm um. »Ja.«
Dillon kam zu ihm zurück, die Stirn leicht in Falten. »Ich wollte Sie schon länger fragen - wie sind Sie und Seine Lordschaft mit dem bisherigen Verlauf der Saison zufrieden?«
Harkness’ Miene war verschlossen, und seine schwarzen Knopfaugen hatten einen argwöhnischen Ausdruck. Dillon hielt seinen fragenden Blick fest auf das Gesicht seines Gegenübers gerichtet; nach einem Augenblick zuckte Harkness die Achseln. »Es läuft so wie die letzte Saison, mehr oder weniger.«
»Hmm.« Dillon sah nach unten, als müsse er sich seine Worte gut überlegen. »Also keine Probleme mit Ihren Leuten?«
Beim Aufblicken bemerkte er das Aufflackern von Furcht in Harkness’ Augen. Er hatte neulich Pris bei Dillon gesehen und für Russ gehalten.
Dillon wartete, sah sein Gegenüber fragend an. Harkness trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Nicht wirklich, nichts Größeres.«
»Ah.« Dillon nickte, als nähme er Harkness alles ab, was er sagte. »Ich hatte mich nur gewundert - da war ein junger Ire, der mit einer wirren Geschichte zu mir gekommen ist. War wohl Ihr Assistent, glaube ich. Ich nehme an, er ist überstürzt gegangen. Zwar habe ich mir seine Geschichte angehört, ahnte so etwas aber schon. Wir wissen alle, wie es mit schwierigen Angestellten dieser Tage ist. Was der Mann von sich gegeben hat, war so aberwitzig, dass klar war, er wollte nur Unruhe stiften.«
Dillon suchte den Blick des anderen und lächelte freundlich. »Ich dachte nur, ich lasse Lord Cromarty wissen, dass ich dem Mann die ganze Sache nicht abgenommen habe.«
Trotz der Härte in seinem Gesicht und in seiner Miene war Harkness’ Erleichterung offensichtlich. Seine Lippen entspannten sich; er neigte den Kopf. »Danke, Sir. Man weiß nie, bei Leuten wie diesem. Ich werde es Seiner Lordschaft ausrichten.«
Hinter Harkness sah Dillon einen kleinen, verhutzelten Mann aus dem Stall kommen. Crom. Er schaute sich um und bemerkte Harkness, der mit Dillon sprach. Er zögerte kurz, zog seine Hosen dann hoch und verschwand in Richtung der Latrinen. Weder Harkness noch Crom hatten Grund zu der Annahme, ihren Rennpferden drohe irgendeine Gefahr. Alle Vorgänge rund um den Stall folgten dem gewohnten Muster eines Renntages.
Crom kam an dem Gang zwischen den Ställen vorbei, wo Pris und Russ warteten. Sie würden ihn sehen; innerhalb von Sekunden wäre Pris mit Belle in Figgs’ Stall. Mit den beiden Beiles.
Ohne dass sein zuvorkommendes Lächeln wankte, drehte Dillon sich zu der
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