Eine Nacht wie Samt und Seide
immer lauter und geschäftiger werdenden Stelle jenseits der Unterstände um. Als hätte er gerade erst begriffen, was das bedeutete, murmelte er: »Ich habe gehört, die Cynster-Rennpferde sind heute besonders früh hergekommen.«
Er sah Harkness an. »Ich habe sie noch nicht gesehen - aber Sie müssen ja gespannt darauf sein, wie Ihre Konkurrenz aussieht.« Mit einem letzten Blick auf die Menge grinste er: »Es sieht aus, als ob schon die Hälfte aller Trainer mit Pferden in den Morgenrennen da wären.«
Dem war auch so. Dillon dankte im Stillen Demon für seine Voraussicht, so ein nützliches Ablenkungsmanöver zu schaffen. Er schaute Harkness an, deutete mit dem Kopf in die Richtung. »Ich muss mir das aus der Nähe ansehen, kommen Sie auch?«
Harkness war vielleicht ein Erzschurke, aber er war vor allem Pferdetrainer; man musste ihn nicht lange überreden, einen Blick auf die Mitbewerber im Feld zu werfen.
Ohne den kleinsten Verdacht, dass etwas hinter seinem Rücken vor sich ging, begleitete Harkness Dillon zu den Cynsters und ihren Tieren.
Von seinem Platz an der Stallecke aus, wo er Wache gehalten hatte, drehte sich Russ zu Pris um und sah sie an. Er zögerte, war hin- und hergerissen, dann nickte er aber. »Geh.«
Sofort trat sie mit gesenktem Kopf vor, Beiles Zügel in der Hand. Neben ihr lief Dillons Stallbursche Stan. Als sie an die Tür an der Seite von Figgs’ Stall kamen, ging Stan nach vorne und öffnete sie, spähte kurz hinein, machte dann einen Schritt zurück und hielt sie ihr auf, sodass sie mit Belle hindurchgehen konnte.
Ohne zu zögern trat Pris ein, als ob Belle und sie in den Stall gehörten.
Stan schloss die Tür nicht ganz, ließ sie einen Spalt breit offen, um die Lage überwachen zu können und sie und die andere Stute, Black Rose, wieder hinauszulassen.
Jäh umschloss sie die warme, feuchte Luft und das Dämmerlicht des Stalles; Pris wartete einen Moment, bis ihre Augen sich daran gewöhnt hatten, dann sprach sie ein schnelles Dankgebet. Rasch schaute sie sich um, suchte die Boxen mit den Augen ab, betrachtete jedes Pferd und suchte nach Black Rose. Sie hoffte inständig, dass ihre Box näher an diesem Ende des Stalles war als am anderen. Oder gar, was ein echter Alptraum wäre, in einer der Boxen, die auf der Rückseite, gegenüber dem offenen Haupttor lagen.
Das Schicksal war ihr gewogen; sie fand die schwarze Stute, die neugierig aus ihrer Box schaute, etwa auf der Mitte des Ganges. Mit einem weiteren stummen Dankgebet führte sie Belle näher, dann schlang sie die Zügel um einen Pfosten in der Nähe. Sie hatte ein zusätzliches Zaumzeug für Black Rose mitgebracht; einen kostbaren Augenblick verwendete sie darauf, die Stute mit leisen Worten zu beschwichtigen und ihr die Nase zu reiben, dann schlüpfte sie in die Box und legte ihr das Halfter an.
Black Rose war ein viel gutmütigeres, ausgeglicheneres Tier als Belle; Pris spürte das sofort und fragte sich, ob ein reizbares Wesen zum wesentlichen Teil einen Champion ausmachte.
Sie schalt sich selbst, wunderte sich, dass sie überhaupt über derlei Dinge nachdenken konnte. Sie war so verspannt, dass sich ihre Gedanken überschlugen, ihr Herz raste. Ihre Sinne waren durcheinander, während sie versuchte, auf mehrere Sachen gleichzeitig zu achten. Angespannt holte sie Black Rose rasch aus der Box, band sie ein Stück weiter fest und wandte sich dann Belle zu - dem zittrigsten Punkt in ihrem ganzen Plan.
Belle beobachtete sie interessiert, während sie die Zügel von dem Pfosten knüpfte. Pris schaute ihr in die großen, intelligenten Augen. »Gutes Mädchen. Jetzt gehst du brav in die Box, dann kannst du nachher auch ein Rennen laufen.«
Belle hob den Kopf, senkte ihn, wiederholte das. Pris schlug das Herz bis zum Hals - würde Belle Schwierigkeiten machen? Würde sie sich am Ende aufbäumen?
Doch stattdessen drängte Belle vorwärts; Pris führte das Tier rasch in die leer gewordene Box. Sie drehte sie um und zog ihr das Zaumzeug von dem schlanken schwarzen Kopf.
Belle schnaubte, nickte zweimal.
Pris wünschte, sie könnte erleichtert aufatmen, aber sie war zu angespannt - ihr Magen fühlte sich wie aus Stein an. Sie tätschelte Belle ein letztes Mal den Hals, dann verließ sie die Box und versperrte die Tür.
Sie steckte sich Beiles Zaumzeug und Zügel in die geräumigen Taschen und kehrte zu Black Rose zurück, nahm den Lederstrick, der an dem Halfter der Stute befestigt war, und machte sich mit wild klopfendem
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