Eine Nacht wie Samt und Seide
ihm zu tun. Es war immer nur »wir«.
Plötzlich merkte sie, dass Russ aufgehört hatte zu reden; sie sah ihn an und ertappte ihn dabei, wie er sie mit ungewohnter Ernsthaftigkeit ansah.
Was wirst du tun? Die Frage lag ihm auf der Zunge; statt sie auszusprechen, blickte er über ihren Kopf. »Wenn du dann noch dort sein solltest, könntest du bis dahin gut und gerne Tante sein.« Seine Lippen verzogen sich leicht. »Du könntest bei der Erziehung unserer Kinder helfen.«
Pris betrachtete ihn aus schmalen Augen, aber er weigerte sich, ihren Blick zu erwidern. »Ich lasse mich nicht drängeln.«
Er sah sie an. »Adelaide war der Ansicht, dass ein kleiner Schubs nicht schaden könnte.«
Sie riss die Augen auf und schaute ihn vorwurfsvoll an. »Das weißt du doch besser.«
Er seufzte. »Na gut.« Unbekümmert wandte er sich wieder seinem Leben zu, seiner Zukunft und überließ es ihr, ihre zu planen.
Was immer noch nicht einfach war. Adelaide hatte genau gewusst, wo sie ansetzen musste.
Am Ende des Tanzes wurde sie zu Dillon zurückgebracht, nutzte eine abgerissene Rüsche als Ausrede, um sich in den Raum für die Damen zurückzuziehen. Während der Schaden repariert wurde, versuchte sie Ordnung in ihre Gedanken zu bekommen, die verflixte Frage ihrer Zukunft - als Dillons Ehefrau oder nicht - aus einem anderen Winkel zu betrachten.
Wenn sie Dillon nicht heiratete, was würde sie dann tun?
Die Antwort machte nicht gerade Mut. Was außer Heirat blieb ihr?
Russ war in Sicherheit, hatte auf seinem ersehnten Betätigungsfeld Fuß gefasst und sich mit ihrem Vater versöhnt. Sie lebten derzeit zu dritt in einer Harmonie, die sie zuvor nicht gekannt hatte. Ihre jüngeren Geschwister waren glücklich und zufrieden, bestens versorgt, zum großen Teil auch dank ihrer sorgfältigen Planung. Sie brauchten sie nicht vor Ort. Während sie selbstverständlich sofort dorthin reisen würde, sollten sich irgendwelche Schwierigkeiten abzeichnen, war es trotzdem schwer, sich angesichts der Anwesenheit ihres Vaters, Eugenias, Russ’, Adelaides und Alberts vorzustellen, was so schlimm sein könnte, dass auch sie dort gebraucht werden sollte.
Was The Hall anging, ihr Zuhause, so war sie in dem Wissen aufgewachsen, dass es nie ihr gehören würde; die Zügel für die Haushaltsführung würden an Adelaide übergehen, Russ’ Ehefrau. Wegzugehen und einen eigenen Haushalt zu gründen ... nun, sie hatte immer angenommen, dass sie das wohl eines Tages tun würde.
Sie war mit Eugenia nach Dublin gereist, nach Edinburgh und London. Städte und die Zerstreuungen, die man dort geboten bekam, gefielen ihr, aber auf dem Land fühlte sie sich wohler.
In Newmarket hatte sie sich zu Hause gefühlt.
Der Gedanke ging ihr durch den Kopf. Sie rümpfte die Nase und setzte sich vor den Spiegel, um ihre Locken zu ordnen.
Eine Bewegung links von ihr erregte ihre Aufmerksamkeit. Eine elegant gekleidete und frisierte Dame sank auf einen Stuhl in der Nähe und starrte sie an.
Langsam drehte sich Pris um und sah die Dame direkt an.
Die blinzelte. »Oh.« Ihre Augen blieben groß und rund, während sie Pris’ Gesicht studierte. Sie schien sie einfach nur anstarren zu wollen.
»Stimmt etwas nicht? Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«, erkundigte Pris sich.
Die Augen der Damen hoben sich zu ihren, dann ließ sie die Schultern hängen. »Nein. Das heißt ...« Sie legte die Stirn in Falten. »Sie sind sehr schön. Meine Schwestern haben mich gewarnt, aber ich habe ihnen nicht wirklich geglaubt.« Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich. »Sie haben die Dinge sehr viel schwieriger gemacht.«
Pris verstand gar nichts. »In welcher Hinsicht? Wovon sprechen Sie?«
»Nun, bei Dillon Caxton natürlich.« Die Dame, blond und braunäugig, betrachtete Pris mit wachsendem Missfallen. »Ich sollte an der Reihe sein - ich oder Helen Purfett, aber wenn ich das sagen darf, so ist mein Anspruch älter.«
»Ihr Anspruch?« Pris runzelte ebenfalls die Stirn. »Worauf?«
Die Dame schaute sich rasch um, dann beugte sie sich vor und zischte: »Auf ihn natürlich!« Da Pris immer noch nicht wirklich begriff, was sie meinte, sprach sie weiter.
»Jedes Mal, wenn er nach London kommt, gibt es ... eine Art Wettstreit. Es geht darum, wer seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen und ihn in sein Bett locken kann. Wir kennen alle die Regeln - nur verheiratete Damen der Gesellschaft, nur solche, die er noch nicht hatte. Meine Schwestern waren alle drei schon dran. Wir sind alle
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