Eine Nacht wie Samt und Seide
berühmt für unsere Schönheit, wissen Sie? Daher war ich fest entschlossen, dass er beim nächsten Mal, wenn er in die Stadt kommt, mir gehört. Doch stattdessen«, die Dame sandte Pris einen vorwurfsvollen Blick, »verbringt er seine ganze Zeit damit, Ihnen nachzujagen. Niemand anderem gönnt er auch nur einen Blick - mir nicht, Helen nicht und auch sonst niemandem!« Die Dame lehnte sich zurück; sie sah Pris an, spreizte die Hände. Ihre Unterlippe zitterte. »Es ist einfach nicht fair.«
Pris hatte Verständnis für die Nöte der gelangweilten Gattinnen; sie hatten aus den gesellschaftlich akzeptierten Gründen geheiratet und waren daher gezwungen, sich außerhalb der Ehe Aufregung und Abenteuer zu suchen. Sie verkörperten den Grund, weshalb für sie nur eine Heirat aus Liebe in Frage kam; sie verspürte fast Mitleid mit ihnen. Auf der anderen Seite ... »Es tut mir leid. Aber ich kann nicht erkennen, wie ich Ihnen helfen kann. Schließlich kann ich kaum mein Gesicht austauschen.«
Das Stirnrunzeln der Dame verschärfte sich. »Nein, und ich nehme an, es ist vergebliche Liebesmüh, sie zu bitten, ihn abzuweisen. Außerdem scheint er völlig vernarrt in Sie. Aber wenigstens könnten Sie ihn rasch heiraten, dann wäre er, sobald Sie in Newmarket untergebracht und versorgt sind, wieder frei für uns.«
Pris blinzelte. Es kostete sie Mühe, aber es gelang ihr, sich eine Reaktion zu verkneifen, nicht zu heftig zu werden und die Dame in unmissverständlichen Worten von diesem Irrglauben zu befreien. Falls sie Dillon heiratete, dann schaute er andere Damen auf eigene Gefahr an. So, wie sie es verstand, ging es allerdings eher darum, dass die Damen ihn ansahen, fast als sei ... er sie. Das war wie ein Spiegelbild dessen, wie Männer sie oft betrachteten.
Etwas in ihr regte sich.
Sie setzte ein Lächeln auf, eine süßlich-hilflose Adelaide-Miene, eifrig, aber unsicher. Täuschung war vielleicht nicht Dillons Stärke, aber bei ihr war das anders. Besonders, wenn es für einen guten Zweck war. Für sie beide..
Für sie beide. Die Worte ließen sie ganz kurz zögern, dann nahm sie sie an. »Ich wäre nur zu glücklich, ihn mit aller gebotenen Eile zu heiraten, aber ...« Sie zuckte die Achseln. »Dafür muss ich ihn aber dazu bringen, sich zu erklären.« Sie schaute die andere mit ihrem besten Unschuldsblick an. »Sie - oder wenigstens Ihre drei Schwestern - müssen ihn doch gut kennen. Vielleicht könnten Sie mir einen kleinen Tipp geben, wie ich ihn ... ermutigen könnte?«
Einen Augenblick fürchtete sie, die Dame wäre nicht leichtgläubig genug, darauf hereinzufallen und das Wissen ihrer Schwestern mit ihr zu teilen. Sie schaute sie mit schmalen Augen an, sie spitzte die Lippen, aber dann schnitt sie eine Grimasse. »Es wird ihn vermutlich schockieren, wenn es von einer naiven jungen Dame wie Ihnen kommt, aber ...«
Die Dame klopfte sich mit dem Finger auf die Lippen, blickte sich um und beugte sich dann näher zu ihr. »Zuerst müssen Sie eine Verabredung arrangieren, bei der Sie ungestört bleiben. Und dann ...«
Pris lauschte und lernte. Die Dame war sehr hilfsbereit, ihre Anregungen höchst interessant.
Später in dieser Nacht wartete Pris in ihrem Schlafzimmer, dass Dillon erschien. Sie hatten wie gewöhnlich drei Bälle besucht, dann hatte er sie heimgebracht und war gegangen, wie sie annahm, in seinen Club. Bald käme er zurück, in ihr Schlafzimmer, zu ihr. Über ihrem Nachthemd trug sie einen Morgenrock, lief vor dem Kamin auf und ab und wartete.
Sie hatte ihre Entscheidung gefällt. Es war nicht allein die Unterhaltung mit Flick, die endgültig den Ausschlag gegeben hatte, sondern eher das, was die Dame - Lady Caverstone - ihr enthüllt hatte. Es war ihr mit einem Mal aufgegangen, dass, wenn sie Dillon nicht nahm - das Risiko nicht einging, die Chance beim Schopf ergriff und daraus das Beste machte -, dann würde sie ihn zu genau so einem Leben verdammen, das sie für sich selbst nicht akzeptieren könnte.
Sie waren sich sehr ähnlich. Ihre Schönheit sonderte sie rein äußerlich von den anderen ab, doch nur wenige Menschen begriffen, was unter der Oberfläche lag, welche Leidenschaft dort wartete. Bis vorhin hatte sie nicht wirklich begriffen, wie sehr ihr Schicksal sich glich und ergänzte.
Falls sie für ihn etwas Besonderes war, sie die Einzige war, die er je zur Ehefrau haben wollte, wie Flick angedeutet hatte, dann lag sein Glück in ihrer Hand. Falls sie die eine Frau war, mit der er
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