Eine Nacht wie Samt und Seide
beruhigt. Er war nun sicher, dass alles in Ordnung war.
Pris trat zum Frisiertisch und legte ihr Retikül ab, schlüpfte aus ihrem Umhang und ließ ihn über den Stuhl fallen. Dillon zündete den Kerzenleuchter auf der Kommode an, streifte sich Rock und Weste ab, durchquerte das Zimmer zum Ofen, wo ein kleines Feuer brannte. Er kniete sich davor und fachte es an.
Mit einem Seufzen drehte sie sich um, sank auf den Stuhl und beobachtete ihn. Beobachtete, wie die Flammen loderten und sein Gesicht beleuchteten.
Sie war gleich von seinem Plan, ihre Angreifer öffentlich zu entehren, begeistert gewesen; sie hatte neben ihm gestanden, als sie Horatias Gästen alles erzählt hatten. Jetzt jedoch war sie so erschöpft, wie sie mit ihrem zerknitterten, beschmutzten Kleid, den unordentlichen Locken und den dunklen Stellen an den Handgelenken aussah. Sie fühlte sich, als sei ihre Seele wund gerieben.
Sie hatte den Ausdruck in Dillons Augen weder erkannt noch verstanden, aber sie hatte gespürt, dass er von dem Moment, da er sie in dem Zimmer im Bordell gesehen hatte, seine Gefühle in sich weggesperrt und sie in den folgenden Stunden gnadenlos unter Verschluss gehalten hatte. Niemand wusste besser als sie, dass solche Kontrolle ihre Grenzen hatte.
Er griff nach einem Holzscheit und legte es in die Flammen. Sie beobachtete ihn, bewunderte das Spiel seiner Muskeln unter dem feinen Leinen seines Hemdes, zufrieden, dass er da war, beschwichtigt von seiner Gegenwart. Er war die eine Person, mit der sie in diesem Moment allein sein wollte. Er hatte die meisten Nächte der vergangenen Woche bei ihr in diesem Zimmer verbracht; sie hätte ihn vermisst, wenn er nicht da wäre.
Bald schon hatte er ein helles Feuer brennen, das Licht und wohlige Wärme im Raum verbreitete. Er stand auf und starrte in die Flammen. Sie ging zu ihm, stellte sich neben ihn.
Seine Hand fand ihre; sie verschränkte die Finger mit seinen.
Nach einem Augenblick drehte er sich um, zog sie in die Arme.
Sie folgte willig, hob ihm das Gesicht entgegen, als er sich vorbeugte, um sie zu küssen.
Sie zog ihn an sich; lockte ihn mit ihrem Körper, ihrem Mund, bot sich ihm an, bot ihm ihre Leidenschaft, ihr Herz und ihre Seele im Gegenzug für seine.
Der Kuss wurde gieriger; in ihrem Kopf begann sich alles zu drehen.
Einen Arm legte er fester um ihre Taille, stählern, besitzergreifend. Seine andere Hand hob er und fuhr ihr durch die Haare.
Jäher Schmerz durchbohrte sie. Sie zuckte zusammen, dann erst fiel ihr wieder ein, dass ihr Ohr verletzt war.
»Was ist?« Er richtete sich auf, hielt die Hand hoch, schaute auf seine Finger, strich dann vorsichtig ihre Haare nach hinten. »Meine Güte, du blutest ja.«
Pris schloss kurz die Augen. Verflixt! »Ach, das ist nur ein kleiner Kratzer.« Sie öffnete die Augen wieder und versuchte, sich aus seinen Armen zu lösen, aber sein Griff lockerte sich nicht.
»Ein Kratzer? Woher?«
Plötzlich begriff er. Er sah die feinen Schwarzpulverspuren am Rand der Ohrmuschel, die zarte Haut auf ewig gezeichnet. Sie würde davon nicht sterben, die kleine Wunde würde verheilen, aber die Muschelform wäre nie wieder vollkommen.
Nachträglich übermannte ihn Entsetzen, was fast schlimmer war als die Furcht im Bordell. Sie ging tiefer, reichte weiter, da Zeit war, sich auszumalen, was hätte sein können.
Eiskalte Wut erfüllte ihn. Alles, was er sehen konnte, war der Abgrund, an dem sie beide im Bordell gestanden hatten.
»Das ist passiert, als du versucht hast, mich zu retten.« Seine Stimme klang ruhig - zu ruhig - und sein Tonfall tödlich beherrscht.
Sie hob den Kopf; er ließ die Hand sinken, als sie ihn ansah. »Das habe ich nicht nur versucht - es ist mir gelungen. Du standest einfach nur wie angewurzelt da und hast ihn auf dich schießen lassen!«
Alles in ihm lehnte sich auf; er schrie: »Verdammt! Darum geht es hier nicht.«
Sie zuckte mit keiner Wimper. Stattdessen beugte sie sich vor, bis ihre Nasen sich fast berührten, und erklärte, jedes Wort betonend: »Mir schon. Du wärest erschossen worden - was hast du erwartet? Dass ich einfach dasitze, abgeschirmt von deinem Körper, und die Hände ringe?«
»Ja!« Er zwang sich, sie loszulassen; anderenfalls hätte er sie geschüttelt. »Das ist genau das, was du hättest tun sollen.«
Sie wich zurück und starrte ihn an. »Sei nicht albern.«
»Albern?« Er raufte sich die Haare und drehte sich von ihr weg. »Verdammt, Pris, du bist beinahe vergewaltigt worden.
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