Eine Nacht wie Samt und Seide
Pris am Arm und begann, sie zur Tür zu schieben; Russ, an dem sie sich immer noch festhielt, musste wohl oder übel folgen. »Falls jemand vorbeikommt, wird er mein Pferd und die Stute sehen, zu dieser Stunde und auf meinem Land - was wird derjenige sich wohl denken?«
Russ Dallings Gesicht wurde ausdruckslos. »Ein Stelldichein.«
»Genau.« Dillon beachtete das erwachende Misstrauen in der Stimme des anderen nicht weiter; das konnte warten. »Niemand wird näher kommen. Von allem anderen abgesehen, ist Solomon auch dafür bekannt, leicht reizbar zu sein. Er wird uns warnen.«
Es gelang ihm tatsächlich, Pris und ihren Zwillingsbruder in die Hütte zu schaffen. An der Tür blieb er stehen. »Wartet drinnen, während ich die Läden vorlege, danach könnt ihr Licht machen.«
Russ setzte sich in Bewegung; rasch ging Dillon zu den Fenstern auf der Vorderseite und schloss die Läden. Als er die Hütte wieder betrat, glimmten Funken am Tisch auf. Sobald der Docht brannte, zog er die Tür zu.
Die Lampe spendete kaum so viel Licht wie eine Kerze, gerade genug, um ihre Gesichter zu beleuchten, als sie sich an den verkratzten Tisch stellten. Wenn er Russ Dalling so sah, fiel Dillon gleich wieder Barnabys Beschreibung ein - eine leicht mitgenommene männliche Ausgabe von Pris, eine Mischung aus ihr und Dillon. Barnaby hatte gar nicht so falsch gelegen; Russ war ein paar Zoll größer als Pris, aber ein paar kleiner als Dillon. Alle drei waren von ähnlicher Gestalt, die einzigen Unterschiede waren die natürlichen, die sich aus Alter und Geschlecht ergaben. Das Gleiche konnte man über ihre Gesichtszüge sagen, ja, im Grunde genommen über alles an ihnen; sie waren alle auf eine dunkle, lebhafte Art und Weise attraktiv - auf den ersten Blick unterschieden sich Pris und Russ nur durch ihre Haar- und Augenfarbe von Dillon.
In diesen beiden Punkten waren die Zwillinge identisch. Sie unterschieden sich kaum merklich in ihren Zügen und mehr in der Art und Weise, wie sie sich bewegten und reagierten. Obwohl sie sich äußerlich überaus ähnlich sahen und sich - wie er vermutete - auch im Wesen glichen, musste es wie bei Amanda und Amelia entscheidende Unterschiede geben. Sie waren nicht ein- und derselbe Mensch.
Im Augenblick war Russ zerzaust und mitgenommen, schwarze Bartstoppeln bedeckten seine Wangen. Er wirkte blass, müde, und seine Augen blickten gehetzt. Seine Kleider waren von guter Qualität, hatten aber in letzter Zeit einiges aushalten müssen.
Pris, die immer noch strahlte, umarmte ihn überschwänglich, berichtete mit gedämpfter Stimme fröhlich, dass Eugenia und Adelaide auch hier waren, dass sie Dillon alles erzählt hatte, dass er ihm helfen würde, dass er grün vor Neid werden würde, wenn er Dillons Pferde sehen könnte, dass weder Harkness noch Cromarty gemerkt hatten, dass sie in Newmarket war, dass sie nach ihm suchten ... all das plätscherte in wildem Durcheinander aus ihr heraus. Dillon war nicht wirklich überrascht, als Russ Dalling ihn über den Tisch hinweg anschaute und seine Miene völliges Unverständnis widerspiegelte.
Dillon zog einen der Lehnstühle zum Tisch, fasste Pris an den Schultern und drückte sie mit sanfter Gewalt auf den Sitz, vor Überraschung ließ sie ihren Bruder los.
Empört starrte sie zu ihm auf.
Er deutete mit dem Zeigefinger auf sie. »Bleib da und sei einen Moment still.«
Dann nahm er einen Stuhl an der Lehne, rückte ihn vom Tisch ab und schob ihn zu Russ, setzte sich selbst auf den anderen. »Erst einmal, was geht hier vor sich?« Er sah Russ ins Gesicht. »Warum waren Sie auf dem Baum?«
Russ schaute Pris an; ihr Blick war erwartungsvoll auf ihn gerichtet, aber ihre Lippen blieben geschlossen. Er sah wieder Dillon an. »Harkness. Er durchkämmt die Gegend nach mir, seit ich Cromartys Stall verlassen habe.« Mit einer Grimasse sagte er zu Pris: »Eigentlich bin ich von Cromarty weggegangen, weil ich wusste, dass du mich suchen kommen würdest.«
»Du hast etwas herausgefunden, was du nicht hättest erfahren dürfen, das haben wir uns schon zusammengereimt«, erklärte Pris. »Warst du im Baum, weil Harkness dir hierher gefolgt ist?«
Russ schaute zu Dillon. »Ich habe jeden Unterschlupf als Versteck genutzt, den ich nur finden konnte, und dabei versucht, in der Nähe zu bleiben, sodass ich ein Auge auf das Training haben konnte. Ich wollte Beweise ...«
Dillon unterbrach ihn mit einer erhobenen Hand. »Dazu kommen wir später. Sicherheit geht vor.« Mit
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