Eine Nacht wie Samt und Seide
aufgesessen war, dann lenkte er Solomon nach Westen. »Hier entlang. Bleiben Sie dicht hinter uns.«
Pris schmiegte sich auf dem Weg durch den schattigen Wald an Dillons warmen Rücken. Dann fiel ihr auf, wohin sie ritten, sie beugte sich vor und flüsterte: »Dillon ...«
»Pst.«
Sie presste die Lippen aufeinander und wartete, aber er folgte weiter dem Weg nach Westen - demselben Weg, auf dem sie am Nachmittag hergeritten waren, dem Weg, der zu der halb verfallenen Hütte führte. Nachdem eine weitere Minute verstrichen war, hielt sie es nicht länger aus. Sie bohrte ihm einen Finger in die Schulter. »Wir reiten in die falsche Richtung.«
Sie hatte ihre Worte nur geflüstert; er antwortete ebenfalls leise: »Nein, tun wir nicht.« Nach einem Moment fügte er hinzu: »Warte es einfach ab.«
Warten. Das war ausgerechnet etwas, worin sie gar nicht gut war, wie er sehr wohl wusste. Sie rutschte unruhig hin und her.
»Sitz still.«
Sie verkniff sich ein Seufzen.
Dann kamen sie an das felsige Bachbett. Dillon lenkte sein Pferd das Ufer hinab und folgte dann dem Bachlauf.
»Ah.« Pris beugte sich vor, sodass ihre Lippen Dillons Ohr streiften.
Er blickte kurz zu ihr zurück. »Genau.«
Erleichtert, dass es so war, wie sie gedacht hatte, und Dillon Russ mit zu sich nach Hause nahm, drehte sie sich im Sattel um, um ihren Bruder anzusehen, der die Stute hinter dem Rappen her lenkte. Sie fing seinen Blick auf und sandte ihm ein beruhigendes Lächeln, dann wandte sie sich wieder nach vorne und legte ihre Arme fester um Dillons Mitte, als er sein Pferd ein Stück weiter das steile Ufer emportrieb, diesmal aber nach Osten ritt.
Eine halbe Stunde später erreichten sie die Stallungen hinter dem Herrenhaus. Der Stallknecht und ein Pferdebursche erschienen, um die Tiere in Empfang zu nehmen.
»Wir brauchen sie beide in ein paar Stunden wieder«, erklärte Dillon.
Der Stallknecht salutierte und führte die Pferde weg.
»Hier entlang.« Die Reisetasche in der einen, ihre Hand in seiner anderen Hand, schlug Dillon den Weg zum Haus ein.
Russ, der sich die Satteltaschen über die Schulter geschwungen hatte, ging neben ihnen über die gepflegte Rasenfläche. Sie spürte, wie sein Blick auf ihre Hand fiel, die unverfänglich in Dillons lag, dann schaute er an ihr vorbei zu Dillon. »Sie sind der Hüter des Abstammungsregisters, nicht wahr?«
Dillon sah ihn kurz an. »Unter anderem.«
Russ atmete tief aus. »Ich habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um mehr über das verdammte Buch herauszufinden.«
»Ich weiß. Inzwischen habe ich versucht, herauszufinden, wer zur Hölle Sie sind und weshalb Sie das wissen wollten.«
Pris beobachtete, wie Russ das Gesicht verzog, während er weiter Dillon anschaute.
»Sie waren das neulich Nacht, nicht wahr? Auf der Rückseite des Jockey-Clubs? Die Falle, in die ich getappt bin. War der andere ein Freund von Ihnen?«
Dillons Lippen kräuselten sich. Er nickte. »Sie können sich entschuldigen, wenn Sie ihn treffen. Genau genommen war er ehrlich beeindruckt von Ihren Faustkampfkünsten, wenn Sie es wieder gutmachen wollen, bieten Sie ihm an, ihn zu unterrichten.«
»Das werde ich tun.« Russ runzelte die Stirn. »Aber was ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, ist, wem Sie gefolgt sind - gibt es noch jemanden, der versucht, an das Register heranzukommen?«
»Den gab es«, erwiderte Dillon.
»Wen denn?«, fragte Russ, als sie am Haus ankamen.
Dillon blieb an der Tür stehen und schaute Russ ins Gesicht. »Raten Sie mal.«
Dann blickte er zu Pris.
12
Russ’ Reaktion auf die Nachricht, dass es Pris gewesen war, die Dillon von ihm weggelockt und es ihm so ermöglicht hatte, der ihm gestellten Falle zu entkommen, führte zu einem halblauten, aber lebhaften Streitgespräch zwischen Bruder und Schwester, das lang genug war, um Dillon zu erlauben, die beiden in sein Arbeitszimmer zu geleiten, in die Küche um ein Tablett mit Brot, kaltem Braten und Ale für Russ sowie Tee für Pris zu schicken und anzuordnen, dass ein Zimmer für Russ fertig gemacht werden solle. Weiterhin nutzte er die ihm gewährte Zeit, den Befehl zu erteilen, dass niemand außerhalb des Haushalts von Russ’ Anwesenheit hier erfahren durfte. Dann kehrte er in sein Arbeitszimmer zurück.
Er schloss die Tür und unterbrach ohne den geringsten Skrupel die immer noch andauernden Zwistigkeiten. »Genug!« Sein Blick blieb an Pris’ hängen, dann winkte er die beiden, die immer noch vor dem Kamin
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