Eine Parkuhr fuer mein Pferd
dunkel war, damit er keinen neugierigen oder unerfreulichen Besuch bekam.
Erst am andern Morgen, als er noch einmal die Karte studierte, kam er darauf, daß er Hans noch nicht in Hameln, sondern in Nienburg erwarten mußte. Ein Esel hoch zwei ist ein Quadratesel, dachte er, und so einer bin ich. Muß ich also den ganzen Weg noch mal zurück. Oder ich fahre nach Hameln weiter und erwarte ihn morgen da. Morgen? überlegte er. Das ist doch schon wieder ein Irrtum. Morgen ist doch erst Bad Nenndorf an der Reihe, in Hameln ist er erst übermorgen. Was mach ich? Wenn ich nach Hameln führe, könnte ich dort zwei Tage Urlaub machen, die Stadt soll ja wunderschön sein. Auf der anderen Seite könnte Hans ohne meine tatkräftige Hilfe natürlich in Schwierigkeiten geraten, vielleicht steckt er schon bis über die Ohren drin und wartet sehnsüchtig auf mich.
Eine Weile noch rang er mit sich, dann aber fuhr er nach Nienburg zurück. Weil es noch nicht einmal Mittag war, parkte er die Ente etwas außerhalb der Stadt und schlenderte gemächlich ins Zentrum. Vor einer Buchhandlung blieb er stehen und betrachtete ohne großes Interesse die Bücher im Schaufenster. Plötzlich fiel sein Blick auf ein schmales Bändchen, auf dessen Titelseite mehrere Reiter zu sehen waren, und er las den in grüner Schrift gedruckten Titel. „Der deutsche Reiterpfad Nr. 1. Wanderungen zu Pferde von der Weser bis zum Neckar.“
Mensch, dachte er, das Buch wollen wir uns mal etwas genauer ansehen. Er betrat den Laden und ließ sich das Buch zeigen. Schon beim flüchtigen Durchblättern begriff er, daß es für Hans von sehr großem Nutzen sein konnte, waren doch genaue Wegebeschreibungen, Übernachtungsmöglichkeiten, Adressen von Hufschmieden und so weiter darin angegeben. Von der Weser bis zum Neckar, dachte er, das ist ja mehr als der halbe Weg! Ich glaube, hier hat der Zufall mir etwas Unbezahlbares in die Hand gespielt.
Er kaufte das Buch, bestellte sich in den Weserstuben ein Mittagessen und begann zu lesen. Wenn Hans nach diesem Buch reitet, sagte er sich, kann ihm kaum etwas passieren. Jede Tagesetappe ist genau beschrieben. Allerdings braucht er neue Karten, seine Straßenkarte allein tut’s nicht. Aber die kann ich ihm ja beschaffen.
Er löffelte seine Suppe, genoß den Jägerbraten und war zufrieden mit dem, was ihm so unverhofft in den Schoß gefallen war. Wenn Hans den Reiterpfad entlangritt, mußte er nicht immer mit der Ente in der Nähe sein. Daß das unmöglich war, hatte er längst begriffen.
Um zehn vor drei stand er vor dem Hauptpostamt und schaute nach seinem Reiter aus.
Wenn Hans die belebte Straße entlangreitet, muß das einen ganz schönen Wirbel machen, dachte er. Das haben wir uns gar nicht so recht überlegt.
Es kam jedoch kein Reiter. Ein erschöpfter Wandersmann, der ein müdes Pferd am Halfter führte, trottete auf das Postamt zu.
„Hallo“, sagte er matt, als wäre es das selbstverständlichste von der Welt, daß er seinen Freund hier antraf. „Wo hast du so lange gesteckt?“
„Ach, weißt du“, begann Andreas, „das ist eine lange Geschichte.“
Hans winkte ab. „Erzähl es mir ein andermal. Jetzt möchte ich was Vernünftiges essen und meinem Pferd was zu trinken geben. Dem hängt bei der Hitze schon die Zunge aus dem Hals.“
„Paß auf, wie wir das machen“, schlug Andreas vor. „Ich besorge hier irgendwo auf dem Postamt oder da in dem Geschäft einen Eimer Wasser und tränke Südwind. Du kaufst dir inzwischen was zu beißen, ein warmes Essen kriegst du um diese Zeit wohl nicht mehr. Aber eine Bratwurst und Pommes frites gibt es an jeder Straßenecke. Und dann tippeln wir gemeinsam zu meiner Ente, die etwas außerhalb geparkt ist. Da berichte ich dir dann, welche wahnsinnige Entdeckung ich für dich gemacht habe.“
„Ich kann es kaum erwarten“, sagte Hans uninteressiert. „Mach dich auf und besorge Wasser.“
Nachdem das Tier getränkt war und Hans sich gestärkt hatte, zogen sie mitten durch die Stadt zu Andreas’ Ente. Hans ging auf dem Fußweg und ließ Südwind, den er von rechts führte, auf der Fahrbahn gehen. Wo Fahrzeuge standen, mußte er den Gehsteig natürlich verlassen. Andreas ging nebenher und erzählte von dem Buch, das er gekauft hatte. Hans, anfangs gelangweilt, erkannte allmählich, daß so ein Buch genau das war, was er brauchte. „Ich glaube, der Himmel ist dabei, mir ein Geschenk zu machen“, sagte er. „Immer nur auf dem Grasstreifen neben der Bundesstraße zu reiten, dabei
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