Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Parkuhr fuer mein Pferd

Eine Parkuhr fuer mein Pferd

Titel: Eine Parkuhr fuer mein Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Sakowski
Vom Netzwerk:
jedem Baum und jedem Begrenzungspfahl auszuweichen, ist ganz schön anstrengend. Und die Querfeldeinritte haben auch so ihre Tücken. Plötzlich stehst du vor einem hohen Zaun oder einem breiten Graben und weißt nicht, wie du rüberkommen sollst. Zweimal habe ich schon das Vergnügen gehabt.“
Er gab Andreas das Halfter in die Hand und blätterte in dem Buch herum. Nach einigen Minuten klappte er es zu und schüttelte den Kopf. „Da macht man sich nun auf, Deutschland zu durchqueren, kauft sich einen Strohhut und eine Straßenkarte, trifft sich vor irgendwelchen Postämtern mit seinem schlafmützigen Freund, latscht mit dem Gaul am Halfter durch belebte Straßen, hat überall Hindernisse zu überwinden, von denen noch kein Mensch je geträumt hat, und weiß nicht, daß liebe Mitmenschen einen weit bequemeren Weg gefunden und genau beschrieben haben. Andreas, du kannst dein Bündel schnüren und nach Hause fahren. Da ich nun den Reiterpfad kenne, kann ich auf deinen unzuverlässigen Beistand verzichten.“
„Übernimm dich nicht“, sagte Andreas. „Wir sind gemeinsam gestartet und kommen auch gemeinsam an. Nur können wir uns nun den Luxus erlauben, getrennte Wege einzuschlagen. Du vertraust dich sorglos dem Reiterpfad an und ich mich den gut ausgebauten Land- und Bundesstraßen. Und da, wo der Reiterpfad endet, stoßen wir wieder aufeinander, um den letzten Teil der Strecke halbwegs auf Tuchfühlung miteinander zurückzulegen. Übrigens scheinst du übersehen zu haben, daß der Reiterpfad nicht an der Mittelweser bei Nienburg, sondern an der Oberweser bei Bad Karlshafen beginnt. Ein paar Tage lang mußt du es dir also noch gefallen lassen, von mir begleitet und mit Hafer und guten Ratschlägen versorgt zu werden.“

In der Rattenfängerstadt
    Am Stadtausgang von Nienburg trennten sie sich, nachdem sie abgemacht hatten, sich in zwei Tagen in Hameln zu treffen. Hans hatte seinen Hafervorrat ergänzt und sich ausreichend mit Proviant versorgt. Und dann hatte er es wieder einmal mit einem Querfeldeinritt versucht. Andreas dagegen war auf der Bundesstraße geblieben und rollte langsam auf Hameln zu. Er wollte dort eine Nacht in einem Hotel schlafen und sich in Ruhe die Stadt ansehen. Hans hatte ihn mit dem nötigen Reisegeld versorgt, und so freute er sich auf zwei unbeschwerte Tage.
    Noch jemand war in Richtung Hameln unterwegs: Magnus Möller. Er saß unkostümiert in seinem graugrünen Ford, hatte das Radio eingeschaltet und genoß das schöne Wetter und die leichte Aufgabe, die er zu lösen hatte.
    Nach Hameln wollte ich schon als Kind, dachte er. Jetzt habe ich die Gelegenheit, es in aller Ruhe anzusehen.
Und das tat er, hatte er doch ebenfalls zwei Tage Zeit dafür. Er schlenderte durch die Straßen, besichtigte das Rattenfängerhaus, sah sich den Rattenfängerbrunnen auf dem Rathausplatz und das Glockenspiel mit den Rattenfängerfiguren am Hochzeitshaus an und hatte seine Freude an den herrlichen Fachwerkhäusern in der Fußgängerzone der Bäckerstraße. Schließlich kehrte er im Rattenkrug ein und aß zu Mittag. Sein Quartier nahm er im Hotel „Zur Börse“, wo inzwischen auch Andreas abgestiegen war.
Am nächsten Tag setzte er die Besichtigungen fort, war beim Pulverturm, in der Kurie Jerusalem, im Münster und in der Marktkirche St. Nicolai. Er aß wieder im Rattenkrug und ging dann zurück in die Osterstraße, die zweite Fußgängerzone Hamelns, um Hans dort vor dem Postamt zu erwarten.
In unmittelbarer Nachbarschaft der Hauptpost befand sich eine Eisdiele. Die Leute saßen auf leichten Stühlen davor auf der Straße, genossen ihr Eis und den schönen Tag und blickten den Fußgängern nach, die an ihnen vorbeibummelten.
Magnus Möller setzte sich zu ihnen und bestellte sich einen Eisbecher. Es war kurz nach vierzehn Uhr.
Während er so dasaß, die Sonnenbrille zurechtrückte und einen Krümel der Waffel von seinem bunten T-Shirt schnippte, wurde ihm bewußt, welchen wunderbaren Job er doch zur Zeit hatte. Andere Schauspieler seines Alters hingen herum und wurden schwermütig, weil sie kein Engagement bekamen, er dagegen fuhr locker durch die Landschaft, schlief in Hotels, konnte es sich erlauben, wie ein Urlauber auf Besichtigungstour zu gehen, und bekam noch eine Menge Geld dafür. Schicksal, du meinst es gut mit mir, dachte er. Eigentlich könnte ich der guten Frau Deters, der ich das alles zu verdanken habe, mal wieder eine Karte schreiben. Aber was soll ich ihr berichten? Daß ich ihren Neffen

Weitere Kostenlose Bücher