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Eine riskante Affäre (German Edition)

Eine riskante Affäre (German Edition)

Titel: Eine riskante Affäre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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einmal sauber der Länge nach, »wird sie in ein oder zwei Stunden überhaupt nie existiert haben.«
    Sie sahen beide so selbstzufrieden aus wie zwei Jungen, die etwas ganz Schlaues angestellt hatten. Was auch der Fall war. Jess war sehr froh, dass sie diese Nacht nicht in der Dunkelheit über Dächer turnen musste.
    Der schwerste Teil jedoch lag noch immer vor ihr.
    »Glaub nur bloß nicht, dass ich dir verzeihe, Adrian.«

21
    Spitalfields
    Es gab viele Möglichkeiten, zu Lazarus zu gelangen. Wenn er nicht nach einem geschickt hatte und man ihn lebend erreichen wollte, musste man allein und zu Fuß kommen. Jess wusste so viel über Lazarus, wie man nur wissen konnte. Dies war das erste Mal, dass sie ungebeten kam.
    Versteckt in einer leeren Möbelkiste, womit sie sich eine Menge Diskussionen ersparte, war sie mucksmäuschenstill aus dem Lagerhaus entfleucht und per Droschke bis zur Quaker Street gefahren. Dort war sie ausgestiegen und losmarschiert.
    Neuerdings hielt sich Lazarus in Spitalfields auf. Wo genau, wusste sie allerdings nicht. Ein Apfelverkäufer und der erste Straßenfeger, auf die sie stieß, reagierten nicht auf das Zeichen. Als sie vor einem vermeintlich Blinden stehen blieb und zu ihm sagte: »Ich suche den Toten Mann«, und dabei mit Daumen und Zeigefinger ein L formte, musterte er sie kurz und antwortete dann: »Bell Lane.«
    Also hatte Lazarus sich in der Nähe der Artillery Passage niedergelassen. Überhaupt kein langer Marsch. Sie hatte an diesem Nachmittag ohnehin nichts Wichtigeres zu tun, oder?
    In Spitalfields wimmelte es nur so von Handkarren, Pastetenverkäufern und Gesindel, das auf den Straßen herumhing – Juden und Iren, hier und da Deutsche und Italiener, ostindische Matrosen und Schwarze. Jess fügte sich recht gut in die polyglotte Menge ein. Ihr Kleid war aus dunklem Stoff, der einen gewöhnlichen Eindruck machte. Und bis auf das Medaillon ihrer Mutter, dessen Wert man erst bei näherer Betrachtung erkannte, trug sie keinen Schmuck. Niemand würde auf die Idee kommen, dass in ihrer Tasche ein Vermögen aus Rubinen steckte.
    Zu Lazarus zurückzukehren jagte ihr gewaltige Angst ein. Vielleicht war die Idee doch nicht so gut. Aber er war im Besitz des letzten Puzzleteils, und es gab keinen anderen Weg, um daranzukommen, als ihn aufzusuchen und darum zu bitten.
    An einer Kirche vorbei spazierte sie die nächste Straße entlang. Auf dem Friedhof standen Bäume, Ahorne oder Eichen oder so ähnlich. Ihr Blattwerk bestand nicht nur aus einem einzigen, sondern vielen verschiedenen Grüntönen, wie die unterschiedlichen Chargen bei gefärbter Seide. Die Vögel da auf dem Eisengeländer waren Spatzen, wie ihre hübschen braunen Lätzchen zeigten.
    Jess ging weiter und dachte nicht darüber nach, wohin sie eigentlich unterwegs war. Sie würde sich einfach selbst zum Narren halten, Schritt für Schritt.
    Papa hatte sie jahrelang von England ferngehalten, damit Lazarus sie sich nicht zurückholen konnte. Sogar heute noch zahlte er Blutgeld an Lazarus – sie wusste nicht einmal, wie viel – , damit der sie in Ruhe ließ. Und nun lief sie diesem Mann geradewegs in die Arme.
    Sie hörte Schritte hinter sich. Nun gab es kein Zurück mehr.
    »Was woll’n Sie vom Toten Mann?«
    Lazarus’ Laufbursche war ungefähr zwölf und steckte in einem Sammelsurium zu großer Kleidungsstücke. Er hatte das Gesicht eines Chorknaben und einen Blick, dem jegliche Menschlichkeit fehlte. Sie machte erneut das Zeichen.
    »Der Tote Mann hat keine Lust auf jede Dirne, die zu ihm will«, bemerkte der Junge mit deutlichem Sarkasmus.
    Sie machte das zweite Zeichen, das geheime, indem sie sich mit dem rechten Zeigefinger über die linke Handfläche fuhr und dabei die Lebenslinie überquerte. Dann zeigte sie ihm die Narbe an ihrem Daumen, die L-förmige.
    Die reifen Augen in dem faltenlosen Gesicht blieben unbeeindruckt. »Ich kenn’ Sie nicht.«
    »Sag ihm, dass Jess Whitby ihn sehen möchte.«
    »Huhuuu … ›Jess, die Hand‹. Das raffinierte Gör.« Das in seinem Grinsen war tief verwurzelte Abscheu. Dieser Bursche hier würde sie mit dem größten Vergnügen in Stücke reißen, wenn Lazarus mit dem Zeigefinger in ihre Richtung wies.
    Er verschwand im Laufschritt. Nun machte sie sich um ihren Schmuck keine Sorgen mehr. Von nun an stand sie entweder unter Lazarus’ Schutz, oder er würde sie zum Abendessen verspeisen. Wie auch immer, damit war sie unantastbar. Schon bald würde jemand kommen, um sie zu seiner

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