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Eine riskante Affäre (German Edition)

Eine riskante Affäre (German Edition)

Titel: Eine riskante Affäre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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Irgendwann wird jede Katze erwachsen. Setzen Sie sich, Liebes.«
    Jess wurde zu einem Stuhl geleitet. Es war wie mit einem Lotsen, der in einem tückischen Hafen das Steuerruder übernahm. Auf einmal zieht das Schiff, sogar ein großer schlingernder Dreimaster, ruhig und gleichmäßig dahin, an Wellenbrechern und Sandbänken vorbei, durch Rippströmungen hindurch. Zahm und gefügig, bis an den Kai. Vielleicht hatten sie einen Vertrag mit dem Ozean.
    In der einen Minute befand Jess sich noch an der Tür und zerbrach sich den Kopf über einen höflichen Abgang. Und in der nächsten saß sie schon am Tisch.
    Der alte Mann blickte sie über einen gewaltigen Zinken an – ganz die Nase von Kennett – , ließ ein Lächeln durchschimmern und fand blind die Teekanne. Er goss ein, fügte Milch und Zucker hinzu und rührte um, und zwar alles, ohne hinzuschauen. Dann stellte er die Tasse vor ihr ab.
    Keine Anzeichen von Tücke bei ihm und auch keine Boshaftigkeit bei der alten Frau. Vielleicht war sie in ihrem Urteil über andere Menschen nicht so sicher wie Papa, doch Jess hätte ein ganzes Vermögen auf diese Einschätzung gesetzt. Welche Eigenschaft auch immer man brauchte, um Landsleute für Geld in den Tod zu schicken, diese beiden jedenfalls besaßen sie nicht. Wenn Kennett wirklich Cinq war, hatten sie nichts damit zu tun. Zu wissen, dass sie ohne Vorwarnung Schande und Unglück über diese beiden bringen würde, machte alles nur noch schlimmer.
    Der Mann schob ihr die Tasse hin.
    Tee. Ja. Den konnte sie unbesorgt trinken.
    Er war aus Südchina, recht ordentlich in seiner Art. Jess war an russischen Tee mit dem typischen Aroma gewöhnt, das beim Räuchern über Holzkohlefeuer entstand und sich während einer Karawanenreise um die halbe Welt abschwächte. Auf den Geschmack dieses Tees war sie gekommen, als sie so lange in St. Petersburg gelebt hatte. Papa hatte immer etwas davon vorrätig.
    Sobald sie ihrem Magen Tee zuführte, würde er sich nicht mehr so grässlich und kalt anfühlen. Vielleicht hörten dann auch die Kopfschmerzen auf. Sie würde ein paar Schlucke trinken, den beiden danken und sich danach verabschieden. Und sie sollte an dieser Stelle ruhig etwas Höfliches sagen. Lieber Gott, bei dem, was Papa für Gouvernanten ausgegeben hatte, sollte sie doch eigentlich gute Manieren besitzen.
    »Danke, dass Sie mich aufgenommen haben.« Sie legte beide Hände um die Tasse. Wie recht sie hatten! Heißer Tee, ideal zum Festhalten. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen auf diese Weise zur Last falle. Es ist so … ich weiß nicht so recht, was passiert ist. Da waren Männer hinter mir her, glaube ich. Und ich bin gestürzt. Ich habe im Regen gestanden und darüber nachgedacht, dass ich mir wehtun könnte … Was ich dann ja auch habe. Mir wehgetan. Wie, weiß ich nicht so genau.« Sie hatte das Gefühl, wirres Zeug zu reden. »Entschuldigung. Das war wohl nicht zu verstehen. Mein Kopf funktioniert nicht richtig.«
    »Natürlich tut er das nicht.« Eine tüchtige, dünnhäutige, mit braunen Altersflecken übersäte Hand schloss sich um ihre. »Die Schmerzen werden bald nachlassen. Ich bin Eunice Ashton. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
    »Ich kann mich nicht an alles erinnern, müssen Sie wissen.«
    »Selbstverständlich nicht. Ich glaube, das ist normal nach einem Schlag auf den Kopf. Sie hatten einen Unfall am Kai und waren nicht in der Lage, uns zu sagen, wohin wir Sie bringen sollen. Wem können wir Bescheid geben, dass Sie in Sicherheit sind? Bestimmt werden Sie schon fieberhaft gesucht. Wie ist Ihr Name, mein Kind?«
    Aber niemand suchte nach ihr. Keine Menschenseele. Wenn sie nicht in der Meeks Street auftauchte, würde Papa nur denken, dass man sie nicht zu ihm ließ. Pitney wusste, dass sie unterwegs war, um Cinq zu jagen, aber noch würde er sie heute nicht im Lagerhaus erwarten. Kedger würde sich wundern, wenn sie ihm an diesem Morgen nicht sein Stückchen Räucherfisch brachte, doch ein Frettchen konnte keinen Alarm schlagen, oder doch? Ansonsten bekäme es niemand mit, wenn sie von der Erdoberfläche verschwände. Diese Erkenntnis jagte Jess einen Schauer über den Rücken.
    Sie schluckte. »Ich bin Jess. Jessamyn Whitby. Mich sucht niemand.«
    Aus dem Blick der alten Frau sprachen Weisheit, vorbehaltlose Freundlichkeit und großes praktisches Denken. »Na, dann trinken Sie erst einmal Ihren Tee, und wir überlegen, was in diesem Fall das Beste ist.«
    »Lady Ashton … « Oder sagt man Lady

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